Von Florenz zu Natalie Portman

Eine Tagung in Florenz

Die letzte Woche war bei mir einigermaßen intensiv. Ich hatte die Ehre von der Antisemitismusbeauftragten der EU, Katharina von Schnurbein, zu einer zweitägigen Konferenz zum Thema »wachsender Antisemitismus in Europa« nach Florenz eingeladen zu sein.

Fachleute aus verschiedenen europäischen Ländern, Juden, Christen, Muslime, trafen sich zum Meinungs- und Gedankenaustausch in der toskanischen Stadt, von der wir allerdings nur abends etwas hatten, tagsüber saßen wir im Konferenzsaal und debattierten. Über alten und neuen Antisemitismus, über den Antisemitismus der Linken und der Rechten, der Muslime und – ein Panel, das ich moderierte – über den Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft.

Einige der Teilnehmer stellten uns ihre Projekte und Konzepte vor, wie sie bei sich daheim gegen den Antisemitismus in muslimischen Kreisen vorgehen. Was da aus Amsterdam, Wien und Berlin berichtet wurde, war einerseits ermutigend, andererseits kam man nicht umhin sich klarzumachen, daß dies immer nur kleine Tropfen auf dem heissen Stein sind. Was nicht heißt, daß man nicht weitermachen muß, ganz im Gegenteil.

Ausgerechnet Österreich hat an dieser Tagung besonderes Interesse gezeigt. Man will innerhalb der EU von den Ergebnissen dieser beiden Tagen lernen und Konsequenzen ziehen. Frau von Schnurbein erarbeitet nun ein Paper auf der Basis unseres Inputs und Austausches.

Besonders interessant und bedrückend waren die Ausführungen eines polnischen Wissenschaftlers, der uns aufzeigte, wie sich die Lage in Polen, in einem Land praktisch fast ohne Juden, drastisch verschlechtert.

Leider war niemand aus Ungarn dabei. Da meine Eltern ja von dort stammen und ich Ungarisch kann und deswegen seit vielen Jahren die Entwicklung dort verfolge, hätte mich persönlich nochmals ein Eindruck von vor Ort interessiert. Aber ich werde ja bald selbst in Ungarn sein für eine Recherche, da werde ich ja wohl bald selbst wieder sehen und hören dürfen, wie die Lage und Stimmung ist.

 

Natalie Portman und der Genesis-Preis

Und was hat das alles mit Natalie Portman zu tun? Nun – nachdem sie es ausgeschlagen hat, zur Überreichung des »jüdischen Nobelpreises«, dem »Genesis«-Preis, nach Israel zu kommen, kommt sie aus den politischen Schlagzeilen nicht mehr hinaus. Der Preis wird verliehen, in diesem Jahr beträgt  das Preisgeld 2 Millionen Dollar. Portman hat die Ehrung angenommen, aber sie will nicht nach Israel kommen, weil bei der Vergabe Israels Premier Netanyahu sprechen sollte. Und das wollte sie nicht, da sie mit dessen Politik nicht einverstanden ist. Der Hass, der ihr von der Rechten in Israel entgegenschlug, ist atemberaubend. Manche Knesset-Abgeordneten verstiegen sich sogar, sie eine »Antisemitin« zu nennen. Schwachsinn. Doch die andere Seite macht sich nun Natalie Portman zunutze. Und da komen wir wieder zur Tagung in Florenz.

 

Natalie Portman als Alibi für BDS?

Es ist ja nicht erst seit gestern, daß das aufgeklärte, liberale US-Judentum sich mehr und mehr von Israel entfernt und mit der Politik der Rechten nicht mehr konform geht. Rund 70% der US-Juden sind politisch liberal, wählen traditionell die Demokraten (also auch Barack Obama) und können mit der Palästinenserpolitik, dem ultra-orthodoxen Monopol in Israel und vielem anderen im jüdischen Staat nichts mehr anfangen. Doch die meisten von ihnen ziehen einen scharfen Trennungstrich gegen die im Kern antisemitische BDS-Bewegung, die einen kompletten Boykott Israels verlangt und – wie man auf der Website nachlesen kann, eine Auflösung des Staates Israel erreichen wollen. Portman wird nun von diesen zur neuen Galionsfigur erkoren, eine »Alibi-Jüdin«, die sozusagen ganz im Sinne dieser Ideologie gehandelt hat. Das aber ist nicht der Fall. Portman ist eine Verteidigerin Israels, aber eben nicht der Politik Netanyahus. Ich weiß nicht, ob es klug war, wie sie gehandelt hat. Vielleicht wäre es besser gewesen, nach Israel zu gehen, den Preis entgegenzunehmen, und dann ihre politischen Vorstellungen und ihre Kritik vor Ort zu äußern. So aber ist sie für die einen ein Alibi und für die anderen eine Verräterin. Und sie unterstützt mit ihrer Entscheidung – natürlich ungewollt! – viele Antisemiten. Und damit sind wir wieder bei einem Problem, das nicht nur in Europa herrscht. Sondern weltweit.

 

Richard C. Schneider, Tel Aviv

2 Gedanken zu „Von Florenz zu Natalie Portman

  1. Lieber Herr Schneider, Ihr Kommentar wirft einige, und ich meine, nicht unerhebliche Fragen auf. Aus meiner Sicht (von Basel) aus möchte ich allerdings nur ein Punkt ansprechen – das betrifft Ihre Sicht auf BDS. Ich kein Anhänger dieser Gruppierung, aber der Genauigkeit halber muss ein Unterschied gemacht werden, was eine legitime politische Forderung ist und was sogenannter Antisemitismus. Die Forderung nach der Auflösung Israels ist klar ein politisches Projekt. Man kann heute gegen den Staat Israel aus mehrfacher Sicht sein. Solange ein grosser Teil der arabischen Bevölkerung unterdrückt wird, aber auch aus der säkularen Persperktive, gehört es sich nicht, einen Staat als Entität nur einer Religionsgemeinschaft allein einzurichten. Dass selbst von liberalen Zionisten Israel als Heimstatt dern Juden nicht in Frage gestellt wird, halte ich in diesem Sinn für diskutabel. Das eigentliche Problem wird ausgespart. Man könnte sogar so weit gehen und BDS als Provokation für gar nicht so dumm halten, denn es zwingt die Tel-Aviv-Blase schliesslich zur Selbstpositionierung. Und genau darum finde ich Natalie Portmans Entscheidung auf der ganzen Linie gut und mutig. Sie hält diese Spannung aus, dass man gegen eine politische Position sein kann und sich dennoch nicht gemein macht mit denen, die einem vereinnehmen möchten. Das hat sie ganz laut und deutlich ausgedrückt.

  2. Hat Natalie Portmann nicht deutlich gesagt, dass sie gegen BDS ist?
    Aber an ihr kann man die schnelle Assoziationskette erkennen: gegen Netanjahu, also gegen Israel, also Antisemitin (obwohl sie von jüdischen Eltern in Jerusalem geboren wurde). Erschreckenderweise gilt diese Kette auch bei ultrarechten Israeli, die einen grossen Teil der isarelischen Politik erzwingen.
    Bei militanten Muslimen in Europa geht es noch schneller, aber andersherum: Jude, also Israeli, also israelische Politik gegenüber den Palästinernsern, also schlagen wir Israel, wenn wir alte Jüdinnen in Paris erstechen.
    In Grossbritannien gibt es noch viel unaufgearbeiteten „Salon-Antisemtismus“. Aber ein Teil des Antisemtismus-Problems der Labour Party geht ziemlich eindeutig auf die Ablehnung israelischer Westbank-Politik zurück. Wenn man sich überlegt, dass Israel bis 1967 der Darling der europäischen Linken war…

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