An Israels Seite? Martin Schulz, die Staatsräson und das deutsch-israelische Verhältnis

Martin Schulz twittert

Vor drei Tagen setzte Martin Schulz, SPD, einen Tweet ab:

Martin-Schulz twittert zur deutschen Staatsräson

 

Ein jüdischer Witz

Schützen und sichern. Aha. Bevor ich dazu komme, erst mal das mit den Dämonen. Israel ist gewiss nicht dazu da, als eine Art „Therapie“ die Deutschen vor ihren Dämonen zu schützen. Als ich diese etwas schwurbeligen Worte las, mußte ich an einen alten jüdischen Witz denken. Der spielt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Wien. Da geht ein Jude auf der Straße, ihm entgegen kommt ein Mann, ein alter Nazi. Die beiden „kennen“ sich aus dem KZ, in dem der Jude war. Der Nazi kommt auf ihn mit strammen Schritt zu und brüllt: „Heil H…!“ Und der Jude antwortet ihm nur lakonisch: „Bin ich ein Psychiater?“

 

Deutsche Soldaten kämpfen für Israel?

Aber mehr als diese etwas merkwürdige Vorstellung von Martin Schulz, ist seine Überzeugung, daß Deutschland Israel schützen und sichern muß. Wie meint er das? Meint er das buchstäblich wörtlich? Also mit Bundeswehrsoldaten, die an der Seite der israelischen Armee kämpfen? Wohl kaum. Doch zu meiner Überraschung bestätigte mir ein anderer deutscher Politiker, kein politisches Leichtgewicht, daß im Falle eines existentiell bedrohlichen Krieges, Deutschland quasi keine andere Wahl habe, das müsse sein aufgrund der deutschen Geschichte. Das wäre dann – so der Politiker – eventuell auch ein Fall für die NATO.

Mal abgesehen davon, daß ich mir beim derzeitigen Zustand der Bundeswehr gar nicht sicher bin, ob deutsche Soldaten tatsächlich an der Seite Israels in einem Existenzkrieg kämpfen könnten, weil sie schlicht keine geeignete Ausrüstung haben. Ich zweifle auch daran, daß die Bundesregierung, egal welche, solch einen Befehl geben würde, selbst wenn die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson gehört, wie Bundeskanzlerin Merkel dies in einer Rede in der Knesset im Jahr 2008 gesagt hatte. Damals, zum 60. Geburtstag des jüdischen Staates, war das ein großer Satz, den Bundespräsident Gauck wenige Jahre später bei einem Staatsbesuch in Israel relativiert hatte. Also abgesehen davon, daß die Bundeswehrausrüstung nicht up to date ist, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß bei der aktuellen Stimmungslage in Deutschland, eine deutsche Regierung das Volk überzeugen könnte, seine Söhne für Israel in den Krieg und damit auch möglicherweise in den Tod zu schicken.

 

Wie helfen?

Aufklärungsflüge, Waffenlieferungen, U-Boote, Geheimdienstinformationen – all das, was seit Jahren und Jahrzehnten ja geschieht und bestens funktioniert (übrigens auch andersrum, die Israel versorgen die Bundesrepublik auch mit vielen Informationen, Drohnen etc.), das wird natürlich weiter geschehen. Aber deutsche Soldaten an die israelische Front, eventuell in einem Krieg gegen die Hizbollah und Iran? Das übersteigt mein Vorstellungsvermögen, ich glaube nicht einmal, daß Israel das wollen würde.

Schützen und sichern. Was bedeutet das auf praktischer Ebene? Selbst die USA des Donald Trump haben Israel klargemacht, daß es wohl dabei bleiben wird, daß US-Truppen aus Syrien abgezogen werden. Angeblich hat der neue Nationale Sicherheitsberater John Bolton Israel zugesagt, daß es waffentechnisch alles von den USA bekomme, was es brauche. Aber dort bleiben? Eher nein. Und in diese Bresche wird die Bundeswehr ganz gewiß nicht einspringen.

 

Hoffentlich nie

Man kann nur hoffen, daß diese Situation nie eintreten wird, in der Israel einen erneuten Existenzkrieg führen muss. Das kann man Israel und der gesamten Region nicht wünschen, und auch nicht der Bundeswehr oder der NATO. Im Augenblick sind die Versicherungen deutscher Politiker, man werde Israel schützen, wohlfeile Worte. Und so soll es auch bleiben. Das schreibe ich nach einer Nacht, in der wieder iranische Positionen in Syrien bombardiert wurden. Wer dahintersteckt? Ist unklar. Hizbollah verweist auf Israel, Pro-Assad-Medien haben aber auch gesagt, die Angriffe seien von den USA und Großbritannien von Jordanien aus erfolgt. Was für ein Tag mal wieder in Nahost.

 

Richard C. Schneider, Tel Aviv

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