Und wieder einmal: Miri Regev

Heute Abend soll im Tel Aviver »Tmuna«-Theater eine Veranstaltung stattfinden mit dem Titel »Raus aus Gaza«. Dieser Abend wird organisiert von einem Knesset-Abgeordneten der Meretz-Partei und einem Knesset-Abgeordneten von der »Joint-List« Partei (der arabischen Partei in der israelischen Knesset). Mehrere Politiker verschiedener Parteien, ein ehemaliger General, mehrere israelische Menschenrechtsorganisationen wie »Breaking the Silence«, »Doctors for Human Rights« u.a. werden teilnehmen.

 

Regevs Kampf gegen das »Kulturestablishment«

Nun hat Kulturministerin Miri Regev ihrem Kollegen, Finanzminister Moshe Kahlon einen Brief geschrieben, in dem sie ihn auffordert, das Theater ab sofort nicht mehr mit Subventionen zu unterstützen, da es nichts anderes tue, als Israel als «butales und rassistisches Land« darzustellen. Zudem sei es anti-zionistisch.

Seitdem Miri Regev das Amt der Kulturministerin inne hat, ist sie im Dauerkrieg mit israelischen Künstlern und Intellektuellen. Sie sieht diese als linkes Pack an, das gegen die Existenz des Staates Israel sei, das arabische Terroristen unterstütze. Sie hat noch eine ganze Reihe von solchen unsinnigen Vorwürfen. In einigen Fällen hatte sie auch Erfolg mit ihrem Kampf, es gibt in der Tat einige Kultureinrichtungen, vor allem von arabischen Israelis, die nicht mehr unterstützt werden.

 

Misrachisch gegen Aschkenasisch

Miri Regev ist eine höchst problematische Kulturministerin. Nicht nur, daß sie gegen den freien Diskurs und die Meinungsvielfalt in einer Demokratie agiert (und damit – leider – im westlichen Trend liegt), sie hat auch ihre misrachische Herkunft zum Thema gemacht und den von vielen eigentlich als inzwischen »überholt« angesehenen Kampf zwischen orientalischen Juden (Misrachim) und europäischstämmigen Juden (»Aschkenasim«) wieder aufs Kulturtablett gehoben. So sieht sie die Kulturschaffenden als Teil der alten aschkenasischen Elite an, die auf Juden wie sie herabschauen. Das ist natürlich Quatsch und unter den Intellektuellen und Künstlern gibt es natürlich auch misrachische Juden. Was sie treibt ist ein alter Inferioritätskomplex orientalischer Juden, der – wie ich das in meinem Buch »Alltag im Ausnahmezustand« beschreibe – ja einst durchaus seine Berechtigung hatte, da sich die aschkenasische Bevölkerung im jungen Israel, insbesonder die Politiker, wahrlich anti-misrachisch aufgeführt haben. Aber heute wird dieser ethnische Konflikt von Menschen wie Regev geschürt, um »Rechts« gegen »links« auszuspielen, um auf der Klaviatur der »geschundenen Minderheit« (die sie gar nicht mehr ist) den größtmöglichen Erfolg zu erzielen, denn ihre Wählerschaft ist natürlich überwiegend misrachisch.

Ob Kahlon die Unterstützung des Theaters aufkündigt oder nicht, wird sich zeigen. Kahlon, selbst ein »misrachischer« Jude, hat in einigen wenigen Fällen die Staatssubventionen tatsächlich gekürzt oder eingestellt, in den meisten Fällen aber nicht – was auch gut und richtig ist in einer Demokratie.

 

Eine »illiberale Demokratie« auch in Israel?

Aber rechte Politiker wie Regev haben eine ganz andere Agenda als die Bewahrung der Meinungsfreiheit und -vielfalt. Sie wollen den Staat verändern. Sie wollen einen anderen Staat, eine »illiberale Demokratie«, wie Victor Orbán dies mal nannte. Das Tragische: Politiker wie sie haben Aufwind. Auch in Israel. Das Land verändert sich. Die Entwicklung mit ihren neuen Narrativen, die inzwischen tief verankert sind in der israelischen Gesellschaft, sowohl im Politischen, wie im Religiösen, lassen jeden aufrechten Demokraten erschauern, egal, ob man eher rechts oder links steht. Denn hier geht es eigentlich um ein Prinzip, das jenseits von politischen Seiten oder Parteien aufrecht zu erhalten ist. Ob’s im Falle des Tmuna-Theaters gelingt, wird jetzt an einen einzigen Mann hängen: an Moshe Kahlon.

 

Richard C. Schneider, Tel Aviv

2 Gedanken zu „Und wieder einmal: Miri Regev

  1. Tja, nun hockt der Herr Schneider in seiner Wahlheimat, und Antisemitismus ist einmal nicht sein Problem. Jetzt ist’s einfach die Auseinandersetzung mit den « anderen », für die Jüdischsein nicht bedeutet, endlich Frei und Nichtverfolgt in Israel zu sein, sondern frei, um im religiösen Sinn unfrei sein zu dürfen. Je mehr Menschen so denken, desto schneller wird aus dem Dürfen ein Müssen. Das säkulare Judentum ist bedroht, und es sind nicht Antisemiten, von denen die Bedrohung ausgeht.

    Jene Juden, die die Halacha über die Werte des Humanismus stellen, jene Juden, die Sicherheit, Geborgenheit und Identität in den Grenzen des Gesetzes suchen, jene Juden, die « illiberale Demokratie » über die Risiken der Freiheit stellen, sind am Ende in ihrem Denken und Fühlen, und in ihren emotionalen Bedürfnissen näher an der in der Sharia verwurzelten arabischen Kultur als an der Kultur ihrer aschkenasischen, von der Aufklärung und der Shoah geprägten, Brüdern und Schwestern.

    Das zu verdauen, hinzunehmen und Sinn darin zu finden mag wohl der Quadratur des Kreises gleichen.

    Unausgesprochen findet ein Schulterschluss statt zwischen muslimischen Antisemiten, die ihre Religion ernst nehmen und orthodoxen Juden, die das gleiche tun. Sie haben so vieles gemeinsam. Dies wird noch deutlicher werden, wenn Israel dereinst.. wieder über einen Sanhedrin, über halachische Gerichtsbarkeit in vollem Umfang, verfügen wird, die der der Sharia in so vielem gleicht. Und da kann der liberale, säkulare, aschkenasische Jude nur gross gucken, sich schütteln, an den Kopf greifen, die Schultern hängen und sich betrübt auf die Erde sinken lassen.

    Und noch etwas. Nein, die Zeit, da misrachische Juden von aschkenasischen Juden bei ihrer Ankunft in Israel gedemütigt wurden, ist noch nicht lange her. Diese Geschichte ist jünger als die der Shoah, und sie sitzt den Menschen in den Knochen, ist Teil des kollektiven Bewusstseins ihrer Mehrheit. Kunst und Kultur – aschkenasisch definiert – kann niemals gut sein, weil so viel Demütigung von den europäischen Juden ausging. Niemand will lernen von dem, der ihn verletzt hat. Niemand will werden wie der, der ihn verletzt hat. Was bleibt, ist, sich der eigenen Kultur, der eigenen Folklore zu erinnern, sie zu stärken und diese gegen die subversive Dekadenz zu stellen, die Aschkenasim ihrerseits Kunst und Kultur nennen.

  2. « Vielleicht bin ich defätistisch, aber ich glaube nicht, daß sie kognitiv in der Lage ist, eine andere Ansicht als ihre eigene überhaupt zu erkennen. Sie wird nur laut, hört nie zu. Vielleicht ist das ohne Kameras anders? Zweifel. » (LilaR auf FB über Miri Regev, zu diesem Blogpost)

    1. « Defätistisch » – Sie ist so, sie sind so ; sie kann, sie können nicht anders. Ja, vielleicht ist es so, und wenn es anders sein könnte, dann verhindert solch eine Sicht (« defätistisch »), dass es anders werden *kann*.

    2. « … glaube nicht, dass sie kognitiv in der Lage ist… » – Doppelt problematisch. Zum einen wirkt diese Einschätzung respektlos und demütigend, und zum anderen, das Kognitive betreffend, gibt es – vom Grundsatz her zwar umstrittene – Studien, wonach aschkenasische Juden im Schnitt jedoch einen höheren IQ haben als misrachische Juden. [Das ist prinzipiell nicht anders empörend als die Feststellung, dass der IQ von asiatischen Amerikanern höher ist als der von Weissen, der wiederum höher ist als der von Schwarzen usw.]
    Eine quantitative Analyse jüdischer Nobelpreise führt auf die selbe Piste, wobei man natürlich immer auch anführen kann, dass es nichts mit Intelligenz zu tun hat, wenn eine Personengruppe aus historischen und kulturellen Gründen erst sehr viel später den Ideen der Aufklärung ausgesetzt war als eine andere.

    3. « … kognitiv in der Lage ist, eine andere Ansicht als ihre eigene überhaupt zu erkennen. »
    Das überrascht nicht, aber wie das feststellen, sagen, herausstellen, OHNE dass es den anderen nicht nur nicht verletzt, sondern auch so, dass für ihn möglich wird zu erkennen, wofür er bisher blind gewesen ist ? Ich weiss es nicht. Gibt es ein Mittel gegen die Arroganz der Ignoranz ?

    4. « Sie wird nur laut, hört nie zu. »
    Das habe ich in meinem misrachischen Umfeld ebenso erfahren.
    Fragen, Diskussionen, Zweifel – alles, was intellektuelle Neugierde auszeichnet, wird abgewürgt, verteufelt, verboten.
    Kunst – zweifelt, provoziert, stellt in Frage… Das darf nicht sein !
    Das muss verboten werden ! Und – wer lauter schreit, hat Recht.

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