Tel Aviver Gedanken in Zeiten von Corona, 4

Meine 95jährige Mutter – Sie kennen sie ja bereits, wenn sie mein Blog verfolgen – die, wie auch schon mehrfach erwähnt, vier KZ überlebt hat (mein Vater, der vor über 40 Jahren gestorben ist, war natürlich auch KZ-Überlebender…), ist derzeit in „Hochform“ beim Vergleichen der Zeit damals mit der Zeit heute.

Niederbomben

Beim Telefonat mit ihr, legte sie sofort los: „Die Zeit damals war ja beinahe aussichtsvoller als die jetzt. Damals hatten wir alle gehofft, daß irgendwann die Gegner Hitlers kommen und alles niederbomben werden. Nein, wir wußten, daß es so kommen wird. Wir wußten halt nur nicht wann, das war das wirklich Schreckliche.“ Und dann lachte sie und fügte an: „Och, da war noch vieles, was noch viel Schrecklicher war. Aber das heute… das macht ja richtig Angst. Wann werden die, wenn überhaupt, einen Impfstoff finden. Und dann? Werden ihn auch alle gleich bekommen oder wieder nur die privilegierten Menschen?“

Dieser herrliche Galgenhumor, mit dem meine Mutter über ihre Lagerzeit spricht, hat etwas Herzerwärmendes. Glauben Sie ja nicht, daß sie schon immer so war. Nein… wenn sie früher vom Lager gesprochen hat, falls sie gesprochen hat, dann war das ganz anders. Jetzt, in ihrem hohen Alter, bekommt sie etwas unglaublich Abgeklärtes. Ich beneide sie darum.

Schwarze Schafe am Meer

Heute war ich erneut auf einem langen Spaziergang an der Meerespromenade in Yaffo. Doch diesmal war es anders als die letzten Tage. Es war rappelvoll, aber, und das war das eigentlich Schlimme: Viele hielten den Abstand nicht ein, wie er gefordert ist. Viele von denen, die sich überhaupt nicht darum scherten, waren junge arabische Israelis, die mit ihren E-Bikes herumsausten immer knapp an den Spaziergängern vorbei, Familien gingen mit ihren Kindern spazieren, die herumliefen und bei anderen Menschen halt machten, zwischen ihren Beinen hin- und her rannten. Aber die Eltern sagten nichts. Das war mir schon in einigen Geschäften aufgefallen: Viele Araber halten sich an die neuen Regelungen, natürlich, aber eben viele auch nicht. Und niemand sagt was. Auch im Meer sah ich heute eine Gruppe von mehreren Leuten zusammen herumplanschen. Und ich begann mich wahnsinnig zu ärgern. Denn wenn die Regierung jetzt womöglich noch strengere Maßnahmen ausspricht, also möglicherweise totales Ausgehverbot außer zum Einkauf oder Arztbesuch, dann verdanken wir das all denjenigen, die einfach nicht begreifen wollen, was das Gebot der Stunde ist. Also… leider gibt es also auch hier schwarze Schafe, die uns allen schaden.

In 24 Stunden nach Deutschland

Das Auswärtige Amt hat eine Rundmail an Deutsche in Israel geschickt und darauf hingewiesen, daß diese Woche wohl die letzten Flüge nach Europa abgehen werden. Bis auf weiteres. Wobei es schon seit einiger Zeit kaum noch Direktflüge nach Deutschland gab. Man hätte nur noch auf Umwegen hinkommen können. Entweder über Moskau, oder über Amsterdam oder via Istanbul. Die Kosten für Eco-Flüge sind horrend, die Wartezeiten auch. Heute morgen checkte ich mal, wie man überhaupt noch weg kommt. Das Ergebnis: Nach Deutschland wäre man heute 24 Stunden unterwegs gewesen. Zweimal Umsteigen, mit jeweils endlose Wartezeiten in Amsterdam und Paris. Mit anderen Worten: Wollen Sie mit Sicherheit krank werden? Dann nichts wie ab in den Flieger.

Zen und Mikve

Und wie sagte mir heute ein bekannter deutscher Journalist: „Ehrlich gesagt, fühle ich mich hier besser aufgehoben als in Deutschland.“ Nun, die Chance, daß wir hier in Israel schneller aus dem Schlamassel herauskommen als in Deutschland, scheint groß. Aber: was wissen wir schon wirklich in diesen Tagen? Können wir Voraussagen machen? Etwas planen? Wir wissen: gar nichts. Und müssen von Tag zu Tag leben. Von Augenblick zu Augenblick. Also einfach: Zen. Aber das ist ja Fernost. Hier, in Nahost, dürfen orthodoxe Juden immer noch in die Mikve gehen, ins Ritualbad, wo immer viele Leute sind, ein einziges Kommen und Gehen… Die frommen Parteien wollen das so. Noch Fragen?

Bis morgen! Da reden wir mal über die politischen Dinge hier. Und über Gaza!

Machen Sie’s gut

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