Und jetzt: Der ORF

Eigentlich wollte ich Ihnen heute etwas darüber erzählen, was der aus Saudi-Arabien stammende und im Exil lebende Journalist Jamal Khashoggi über die Reformpläne von Kronprinz Mohammad bin Salman denkt, wohin sich also, seiner Meinung nach, Saudi-Arabien entwickeln wird.

Doch leider muß ich dieses Thema »verschieben«. Denn es gibt etwas, was mir für den Moment viel mehr auf den Nägeln brennt. Nein, nicht der Besuch des British-Royal, Prince William in Israel und den Palästinensischen Gebieten, sondern das, was der österreichische Standard veröffentlicht hat.

 

Nach »No-Billag« geht es jetzt in Österreich weiter

Erinnern Sie sich noch an meinem Film zur »No-Billag«-Debatte in der Schweiz? Er wurde Anfang März ausgestrahlt. Und nun geht es um den ORF. Schon seit längerem versucht die FPÖ des Senders »habhaft« zu werden. Böse Anschuldigungen, Drohungen u.ä. gehören zum Alltag, den der Sender irgendwie bewältigen muß.

Nun aber setzt der Generaldirektor des ORF, Alexander Wrabetz, dem Ganzen noch die Krone auf. Es wurde nämlich der Entwurf zu einer internen Dienstanweisung bekannt, der von einem Mitarbeiter Wrabetz‘ erstellt worden sein soll.

Diese Dienstanweisung sieht vor, daß alle journalistischen und programmgestaltenden Mitarbeiter des ORF in Zukunft keinerlei Äußerungen mehr in sozialen Medien machen dürfen, die »als Zustimmung, Ablehnung oder Wertung von Äußerungen, Sympathie, Antipathie, Kritik und ‚Polemik‘ gegenüber politischen Institutionen, deren Vertreter/innen oder Mitgliedern zu interpretieren sind«, dazu gehören dann auch Likes, Dislikes, Recommends, Retweets oder Shares.

 

Kritischer Journalismus? Nein danke

Dies ist also der nächste direkte Angriff auf einen öffentlich-rechtlichen Sender, der – das macht es noch schlimmer – sozusagen vom obersten Vertreter des Senders selbst geführt wird. Ein Kotau gegenüber der FPÖ, die nichts unversucht läßt, um Kritik von Journalisten vor allem gegenüber rechtslastige Politik zu unterbinden. Noch ist die Dienstanweisung nicht durch, noch kann sie gestoppt werden, aber das Prinzip, das sich dahinter nicht einmal mehr verbirgt, ist offensichtlich – und wird weitergehen: Laßt uns die Vierte Gewalt, den kritischen Journalismus, zerstören.

Das passiert im – Nachbarland. In Österreich, das wir doch – wie die Schweiz – als Demokratie ansehen wollen. Und wir sehen, wie schnell sich Dinge in einer Demokratie verändern können. Wie schnell das Fundament der Demokratie kippen kann. Ja, wir wissen es, es ist der »Trend der Stunde«. Überall.

 

Sind wir der Demokratie würdig?

Darum müssen wir es immer und immer wieder benennen und dagegen ankämpfen, anschreiben, protestieren, demonstrieren. Sonst verdienen wir die Demokratie nicht, wenn wir sie im Stich lassen. Und Demokratie – das sind wir selbst. Wir dürfen uns nicht im Stich lassen, uns nicht aufgeben. Wenn uns das nicht gelingt – dann sind wir der Demokratie auch nicht würdig. Oder?

 

Richard C. Schneider, Tel Aviv

3 Gedanken zu „Und jetzt: Der ORF

  1. Auf FB hat jemand wie aus dem Lehrbuch von der Aufgabe der Vierten Gewalt als « Garant unserer demokratischen Freiheit » sowie ihrer Funktion als Kontrollinstanz der Staatsorgane geschrieben. Im online Lexikon des Deutschen Journalisten Kollegs heisst es dazu wie folgt :

    « bezeichnet ‘vierte Gewalt’ die Macht der Medien, als Meinungsbildner einerseits und als Sprachrohr der öffentlichen Meinung andererseits aufzutreten. […] können […] durch Anregen und Lenken der öffentlichen Diskussion indirekt auf Politik und Gesellschaft einwirken.

    Wie unabhängig die ‘vierte Gewalt’ tatsächlich ist, welche Authentizität also den Medien als ‘Volkes Stimme’ überhaupt zugesprochen werden kann, wird in zahlreichen medienkritischen Publikationen untersucht. »

    Stellt sich die Vierte Gewalt heute wirklich noch auf als Kontrollinstanz der Staatsorgane ?

    Sind Journalisten Meinungsbildner, oder ist es Ziel, die Stimme/Stimmung (in) der Bevölkerung abzubilden ?

    Ich habe nicht den Eindruck, dass aktuell in Deutschland (anders als jetzt offenbar in Österreich) irgendjemand akut besorgt ist über die Funktion der Staatsorgane, und habe aber wohl den Eindruck, dass Journalisten oft stärker bemüht sind, Meinung zu bilden, als Sprachrohr der Bevölkerung zu sein, wobei selbst Meinungsbildung doch eigentlich überwiegend auf dem Informationsweg stattfinden sollte und nicht durch gezielte Beeinflussung/Manipulation der Bevölkerung.

    Mit anderen Worten, es mag schmerzlich sein, mit anzusehen und zu dokumentieren, dass immer mehr Menschen mit illiberalen Ideen (und Politikern) flirten, denen die Vierte Gewalt letztlich ein Dorn im Auge ist. Zugleich aber kann/sollte diese Kontrollinstanz nicht selbst danach streben, Kontrolle zu übernehmen und Politik in die eine oder andere Richtung zu lenken.

    Ja, vielleicht ist Europa im Aufbruch, und die illiberalen Kräfte, die unsere Demokratie unterhöhlen, gewinnen. Das wäre tragisch, und doch können die Medien wohl Informationen weitergeben, kritische Analysen liefern usw., aber es ist nicht ihre Aufgabe, selbst Politik zu machen, oder würde die Vierte Gewalt selbst im Falle des Aufstiegs des bspw. Faschismus zum « Widerstand » ? Kann das, darf das, SOLL das vielleicht sogar so sein ? Kann « Kontrolle » Widerstand bedeuten ?

    Dann würden jedoch nicht mehr Staatsorgane kontrolliert, sondern der Wille der Bürger.

    Demokratie *kann* sich in der Tat selbst abschaffen. Wenn diese Staatsform nicht mehr von einer Mehrheit der wahlberechtigten Bevölkerung gewollt wird, dann tritt dieser Fall ein. So ist’s in den Ländern des Arabischen Frühlings – mit Chancen zur Demokratie – geschehen, und selbst am Beispiel Erdogans wird deutlich, dass – selbst unter Berücksichtigung von Wahlbetrug – ein erheblicher Teil der Bevölkerung den illiberalen Weg (in der Regel zu den eigenen Gunsten und gegen ‘die Anderen’) wählt und will… und Journalisten, die sich als Widerstand verstehen… werden weggesperrt.

  2. wenn diese „Dienstanweisung “ nur benennen würde,was ein Journalist noch DARF,würde sie wohl deutlich kürzer ausfallen *-*

  3. „Dies ist also der nächste direkte Angriff auf einen öffentlich-rechtlichen Sender, der […] sozusagen vom obersten Vertreter des Senders selbst geführt wird.“ (RCS)

    Das zeigt und ist auch aus anderen Ländern bekannt, dass „öffentlich-rechtlich“ nicht immun macht gegen bspw. Kontrolle durch eine despotische Staatsführung. Bei der „No No Billag“-Initiative wurde der Eindruck geweckt, dass eine Privatisierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten der Neutralität entgegenlaufen würde, und die ÖR Sender haben ja auch einen Bildungsauftrag. Wenn aber Staaten von (Möchte-gern-)Autokraten geführt werden, dann ist „öffentlich-rechtlich“ kein Garant für die erhoffte Neutralität, Objektivität und Sachlichkeit bzw. die Sicherung der Demokratie selbst.

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