In einem Gespräch mit der israelischen Tageszeitung Haaretz anläßlich seines neuen Buches über Genozide in der Türkei, erklärt der Historiker Benny Morris, Israel werde in 30, 40 Jahren wohl kaum noch bestehen können. Eine Zwei-Staaten-Lösung werde es nicht geben, da – aus seiner Sicht – die Palästinenser diese stets ablehnten und immer noch ablehnen, wohingegen Israel mehrfach in der Geschichte die Teilung Palästinas annehmen wollte. Und so werde es zu einem einzigen Staat kommen, die Palästinenser werden die Mehrheit der Bevölkerung stellen, Juden würden dann wieder gejagt werden und wer kann, wird das Land verlassen.
Von innen heraus zerstört
Gleichzeitig prangerten in diesen Tagen zahlreiche Militärs um den neuen Kandidaten Benny Gantz die Korruption im ganzen Land an, angefacht durch den Sex-Skandal im Justizwesen des Landes. Sie machen sich Sorgen, daß sich das Land von innen heraus zerstören werde und man aus diesem Grund dringend die ganze Entwicklung des Landes verändern müsse, um es wieder auf dem richtigen Weg zu bringen.
Und wieder andere Nachrichten sagen, daß es sehr wohl möglich ist, daß Generalstaatsanwalt Mandelblit jetzt tatsächlich im Februar eine Anklage gegen Premierminister Netanyahu aussprechen wird.
Drei Nachrichten, die – egal ob sie stimmen oder nicht – dennoch zeigen, daß Israel sich in einer massiven Krise befindet. Daß die Demokratie am Rande des Abgrunds steht. Der einzige Trost: Viele anderen Demokratien in der Welt stehen auch am Abgrund oder haben das, was man „Demokratie“ noch nennen kann, längst hinter sich gelassen.
„Illiberale Demokratien“
Ich bekam vor kurzem einige Mails von Lesern, die sich ein wenig beklagten, daß ich in letzter Zeit so „monothematisch“ geworden sei, daß ich immer und immer wieder über das Problem der „illiberalen Demokratien“ schreibe, daß ich nur noch schwarz sähe etc.
Mag sein, daß ich „monothematisch“ geworden bin. Aber tatsächlich treibt mich die Entwicklung hier, in Europa, in den USA wahnsinnig um. Gibt es – vielleicht mal abgesehen von der Klimakatastrophe – ein wichtigeres Thema für unsere Zukunft? Gewiß, wir alle tanzen auf dem Vulkan. Ob in Tel Aviv oder in Berlin, in Paris oder London oder wo auch immer – ja, auch in kleineren Städten 😉 – wir alle tun in unserem Alltag so, als ob nichts geschehen sei. Immer mehr Israelis weigern sich noch täglich Nachrichten zu sehen und zu hören, auch in Europa erlebe ich vor allem Jüngere, die sich gern im Netz verlieren und mit Politik nichts am Hut haben. Andererseits gibt es junge Leute, die sich sehr wohl engagieren, allerdings häufig außerhalb der gängigen politischen Bahnen. Die Frage ist: Was kann jeder Einzelne wirklich tun? Und die nächste Frage ist, wenn man sich die erste beantwortet hat: Tue ich es auch? Tue ich es wirklich? Zwei Fragen, die ich mir natürlich auch selbst stelle. Da reicht es nicht „als Journalist“ tätig zu sein. Das hilft, das ist wichtig. Aber reicht das wirklich aus?
In manchen Momenten denke ich, man müßte in die Politik gehen, aber will man das wirklich? Also – was kann man sonst noch tun? Es gibt viele Antworten. Haben Sie schon welche für sich selbst gefunden? Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Wochenende
2 Gedanken zu „Monothematisch“
Vielen Dank, lieber Richard. Gerade auch dieser Blogpost spricht mir voll aus dem Herzen. Wie werden die neuen, digitalen und polarisierenden Medien unsere Gesellschaft verändern? Habe dieses Thema auch zum Schwerpunkt meiner ersten Klausurtagung als Landes-Beauftragter gegen Antisemitismus am 14./15.2. in Ravensburg mit dem Expertenrat gemacht.
M.E. bist Du nicht „monothematisch“, sondern an der Schlüsselfrage aller Demokratien – auch der israelischen – dran.
Vielen Dank für Dein Engagement und besonders auch für diesen Blog!
Ob die neuen Medien die Gesellschaft polarisieren oder nicht, will so gestellt die dahinterliegende Frage umschiffen. Es sind die Ereignisse und deren Interpretation durch die Medien, die nicht mehr übereinstimmen. Und da die Medien für das haftbar machen, was man als Empörung bezeichnen kann, ist so dumm, dass man eigentlich nicht wiedersprechen mag, aber trotzdem muss. Hier in Israel wie auch in Westeuropa gibt es das etwas sentimentale Seufzen über die Gegenwart und ich nehme mich hier nicht davon aus. Wir können aber nicht zurück. Auch wenn die Gegenwart als „race to the bottom“ empfunden wird, muss man sie nicht als Loch sehen, sondern als Tal, das auf der gegenüberliegenden Seite wieder einen Hang hat, den es wieder metaphorisch gesprochen wird zu nehmen gilt. Es gibt zwar die Befürchtung, dass nach dem Erreichen der Talsohle niemand mehr da sein wird, mit dem es wieder bergauf gehen wird, aber das ist derzeitige Risiko, das uns zugemutet wird – nicht von den Medien, sondern sehr konkret von einer Machtelite, welche die Welt entsolidarisieren will. Hier nur auf frei geäusserten Anti-(…) zu verweisen geht entschieden an der Lage vorbei, denn noch wollen wir uns selbst nicht in dieser Situation wiedererkennen.