Mirjam Pressler s.A.

Nur traurige Nachrichten in diesen Tagen. Nun ist die wunderbare Schriftstellerin und Übersetzerin Mirjam Pressler in Landshut gestorben. Sie war schon lange krank, sehr krank, aber sie war unglaublich tapfer. Ich habe sie vor wenigen Wochen zum letzten Mal in Frankfurt getroffen, als ich die Ehre hatte, auf sie und die israelische Schriftstellerin Lizzie Doron die Laudatio zu halten bei der Verleihung des Korn-Gerstenmann-Preises. Sie war von ihrer Krankheit bereits gezeichnet, die Haare ganz kurz, das Gesicht schmal, aber sie strahlte, war lebendig, lustig, machte über ihren Zustand Witze.

Amos Oz und Anne Frank

Ohne sie ist die israelische Literatur in Deutschland nicht denkbar, sie hat viele große Autoren übersetzt (nicht nur Israelis, übrigens!): Amos Oz, Orly Castel-Bloom, Zeruya Shalev, Lizzie Doron und viele andere.Ihre eigenen Kinderromane sind anrührend und beschäftigen sich auch mit der Shoah. Sie fand den Weg, Kindern ganz schwierige Themen nahezubringen.Und sie hat die kritische Werkausgabe der Tagebücher von Anne Frank ins Deutsche übertragen. Wenn Sie mehr über sie wissen wollen: https://de.wikipedia.org/wiki/Mirjam_Pressler

Laudatio

Und ich möchte hier kurz aus meiner Laudatio zitieren, als persönliches Adieu an die wunderbare Mirjam Pressler:

„……Umso wichtiger ist es, die Stimmen in Lizzies [Doron] Berichten zu hören. Dass ein deutsches       Publikum dies überhaupt kann, verdankt es einer Frau, die heute ebenfalls mit diesem wunderbaren Preis für Völkerverständigung und Versöhnung geehrt wird. Mirjam Pressler.

Der große hebräische Dichter Chaim Nachman Bialik sagte einmal: „Eine Übersetzung ist wie ein Kuss durch ein Taschentuch“. Ein wunderbares Bild. Und so wahr. Doch Bialik kannte Mirjam Pressler nicht. Und er konnte nicht wissen, daß sie in geradezu kongenialer Weise eine Art „stille Autorin“ für die deutsche Fassung von Lizzie Dorons Büchern ist. Ihre Übersetzungen sind „Küsse ohne Taschentuch“. Sie sind direkt und klar.

Wer beider Sprachen mächtig ist, weiss, dass es Mirjam Pressler eindrucksvoll gelungen ist, den Sprachduktus der Autorin und der Menschen, die da sprechen in ihren Büchern, ins Deutsche so zu transferieren, dass man das Gefühl bekommt, man wäre eben mit ihnen in ihrer Alltagssprache unterwegs. Das ist mehr als nur eine literarische Leistung. Es ist auch ein Teil dessen, was Dialog erst ermöglicht: dem Anderen eine Stimme zu verleihen, die gehört werden kann. Damit ist nicht nur die deutsche Übersetzung als solche gemeint, sondern die Authentizität, die sich in der deutschen Fassung so wunderbar überträgt. Damit der Andere gehört werden kann, muss ihm seine Sprache in einer fremden Sprache gegeben werden. Das ist ein künstlerischer Akt, aber mehr noch ein Akt des Respekts, der Achtung und der Wertschätzung.

Mirjam Pressler, deren Name jeder kennt, der israelische Schriftsteller im Deutschen liest, ist das nicht nur deshalb so vortrefflich gelungen, weil sie beide Sprachen perfekt beherrscht. Sie ist ja selbst Schriftstellerin, eine erfolgreiche Autorin insbesondere von Kinder- und Jugendbüchern, in denen sie häufig existentiell schwierige Lebensgeschichten vorstellt, die vor allem einem jungen Publikum nahegebracht werden müssen. Was ihr als Autorin in ihrem eigenen Werk so hervorragend und eindrucksvoll gelingt, ist auch in ihrer Arbeit als Übersetzerin und Vermittlerin zu spüren.

Wer weiss, dass eine gelungene Übersetzung ganz wesentlichen Anteil am Erfolg eines Buches in einer fremden Sprachen hat, der weiss, dass heute mit Mirjam Pressler neben Lizzie Doron eine gleichwertige, ebenbürtige Partnerin für Völkerverständigung und Versöhnung geehrt wird.

Ich gratuliere Mirjam Pressler und Lizzie Doron aufs Herzlichste zur Verleihung des Friedenspreises der Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung.“

Ein Gedanke zu „Mirjam Pressler s.A.

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