Aber jetzt

Aber jetzt – jetzt geht’s nun wirklich wieder los, es gab nochmal ein paar Probleme, aber die sind nun gelöst.

Hallo liebe Leserinnen und Leser – ich hoffe, Sie haben meinen Blog ein wenig vermisst. Ich beginne nun am Tag der deutschen Einheit zu schreiben. Ausgerechnet heute erhielt ich eine Mail einer Dame, die mein Buch »Alltag im Ausnahmezustand« gelesen hat und sich über mein Eingangskapitel geärgert hat. Sie sprach gar von »Arroganz«. Die Dame ist in der DDR groß geworden und sie beschwerte sich, daß ich bei meiner Erzählung über meine Kindheit, vom AFN sprach und darüber, daß es in Deutschland nichts anderes gab damals als Vico Torriani, Lou van Burg etc.

 

West- und Ostimpressionen

Sie hielt dies für arrogant, weil es in Deutschland, sprich: in der DDR, andere Stars gab. Sie nannte die Namen, die mir – als in der Bundesrepublik großgewordener Mensch – natürlich nichts sagten. Sie war ziemlich sauer in der Mail und das erstaunte mich – allerdings nur zum Teil. Ich schrieb ihr zurück und erklärte ihr, daß meine Kindheit nun mal in der BRD stattgefunden hat und daß ich deswegen nicht über Kenntnisse der DDR verfüge. Und daß Westdeutschland für mich als Kind das einzige Deutschland war, das existierte. Worüber sonst hätte ich schreiben sollen, wenn ich über meine Kindheit schreibe?

Worüber ich nicht erstaunt war, war ihre Wut, ihr Ärger. Wir sehen auch heute noch, fast 30 Jahre nach dem Fall der Mauer, wie sich Deutschland nach wie vor in West und Ost unterteilt, wie die Kluft zwischen beiden Teilen Deutschlands vielleicht in diesen Wochen und Monaten ganz besonders wächst. Es zeigt, daß Deutschland immer noch an sich selbst krankt. Wie kann es auch anders sein.

 

Babylon Berlin

Daß in diesen Tagen in der ARD die Serie »Babylon Berlin« läuft, hat für mich persönlich fast schon was „Mythisches“ – das Jahr 1929, um das in der Serie geht, erleben wir in diesen Tagen etwas ähnliches in Deutschland? Nein, man kann die Zeiten nicht identisch setzen, aber Ähnlichkeiten sind unübersehbar. Das Zerbröseln des Establishments, die Schwäche der etablierten Parteien, das Erstarken der Ränder, Rassismus, Antisemitismus, aber auch die »große Sause«, Sex, Drugs, Rock’n Roll, der Tanz auf dem Vulkan eines Europas, das auseinanderzubrechen droht.

Die Serie ist grandios, die Schauspieler, die Inszenierung, das Drehbuch, die Regie, die Musik – einfach alles. Stürzen Sie sich also hinein in dieses Erlebnis, lassen Sie sich berauschen, aber denken Sie immer wieder auch daran, daß dieses »Sittengemälde« eben auch unsere Zeit wiederspiegelt.

 

Ähnlichkeiten zu heute

Daß es diesmal nicht zur Katastrophe kommt – das haben wir (noch) in der Hand. Auch wenn man bei manchem Politiker/Politikerin sich fragen muß, ob er/sie noch alle Tassen im Schrank hat. Überall wird gezündelt. Nicht nur in Ungarn, nicht nur in den USA, sondern überall im Westen … Werden Sie aktiv. Tun Sie was. Vielleicht hilft Ihnen ja »Babylon Berlin« dabei … morgen geht’s weiter in der ARD. Und auch hier in meinem Blog.

 

Richard C. Schneider, Tel Aviv

2 Gedanken zu „Aber jetzt

  1. Zu der Userin, die meint, Herr Schneider müsse ihre DDR-Erfahrung in seine eigenen Betrachtungen mit aufnehmen : Spiegelt diese Erwartung nicht genau das überwunden geglaubte kommunistische Weltbild der DDR – nach dem Motto ‘Ihr Individualismus hat sich dem Kollektiv unterzuordnen’ ?

  2. Zum Filmtipp : Vielen Dank für den Hinweis auf diese Serie, und ich schliesse mich dem Urteil über den Film selbst vollumfänglich an, wobei ich mich wundere über dieses « … denken Sie immer wieder auch daran, dass dieses ‘Sittengemälde’ eben auch unsere Zeit spiegelt. » – So ganz ohne Fragezeichen ??

    « Dass es diesmal nicht zur Katastrophe kommt, das haben wir (noch) in der Hand… » – – –

    Ja, wenn es denn so einfach wäre !

    Zum einen gehöre ich zu den Fatalisten, die nur ein eingeschränktes Vertrauen da hinein haben, dass wir überhaupt irgend etwas (noch) in der Hand haben bzw. je hatten. Selbst die Neurowissenschaft bestätigt mittlerweile, dass wir, d.h. der Einzelne, letztlich keinen « freien Willen » haben. Dass heisst nicht, dass wir uns nicht immer auf die Seite des « Guten » schlagen sollten, aber in allem liegt aus meiner Sicht doch immer etwas übergeordnet Schicksalhaftes, worauf der Einzelne leider keinen Einfluss zu haben scheint.

    Zum anderen glaube ich, dass es nicht so einfach ist wie Herr Schneider dies darstellt, eine mögliche auf uns zurollende Katastrophe überhaupt auch nur zu benennen. Herr Schneider kann das, da er sich klar auf der einen Seite unserer polarisierenden Welt sieht, und auf seiner Seite ist alles gut oder doch zumindest so gut wie möglich.

    Die nationalistischen Populismen (s. Trumpism, Putinism, Orbanism etc.) begleitet von mehr oder minder ausgeprägtem religiösen Fundamentalismus und faschistischen Tendenzen/Faschismus/Rassismus stehen für eine enge, aus Sicht ihrer Anhänger Sicherheit bietende und auf ein « Ende » (der Welt) schauende Weltsicht.

    Die Geschichte hat uns gelehrt, dass diese Sicht ins Verderben führt.

    Auf der anderen Seite steht die Weltoffenheit der Globalisierung, die sowohl unserem technologischen Fortschritt entspricht als auch einzig vermag, die Probleme unserer Zeit zu lösen. Yuval Noah Harari (s. Kommentierung zu vorigem Eintrag) sagt, diese Probleme seien die nukleare Gefahr, der Klimawandel sowie die « technological disruption » durch Künstliche Intelligenz – jeweils mit einer Plethora an möglichen Folgen. Diese Weltsicht ist weit. Rassismus sowie altertümliche religiöse Differenzen haben darin prinzipiell keinen Platz. Wir gehören zusammen und können die Probleme der Menschheit nur gemeinsam lösen. Ziel ist nicht, ein Ende herbeizustreiten, sondern – so die Visionäre Künstlicher Intelligenz – den Tod auf Erden – und nicht erst im Jenseits – zu überwinden.

    So weit, so gut. Klar. Dies ist die Seite der « Guten ». Aber auch die Sache der Guten hat einen Haken. Harari spricht vom Aufstieg einer « Digitalen Diktatur ». Wie viel Freiheit, wie viel Individualismus können wir uns erhalten in einer Welt, in der globale Probleme umfassend gelöst werden sollen ? Wie frei können wir sein, wenn Technologie, die uns eine neue Freiheit geschenkt hat, nach und nach immer mehr dazu genutzt wird, uns zu kontrollieren und unsere Freiheit auf nie dagewesene Weise einzuschränken, und wer wird am Ende davon profitieren ? Nationalismus dient den Wenigen, einer in der Regel nach ethnischen und religiösen Gesichtspunkten eingeschränkten kleinen Gruppe – zu Lasten der Masse, und Globalisierung dient einer intellektuellen und finanziellen Elite – dem 1% und « Silicon Valley ».

    Das heisst auch, dass der Liberalismus, an dem wir letztlich alle doch sehr hängen, im einen sowie im anderen Fall dem Untergang geweiht ist. Das Globalisierungsmodell fühlt sich im Moment noch besser, liberaler an, auch wenn es das nicht ist. Die Sache ist die : Nationalismus oder Globalisierung – in beiden Fällen handelt es sich um eine materialistische bzw. « männliche », nach Macht strebende Weltanschauung, und sie allein führt uns *immer* ins Verderben. Immer.

    Wessen die Menschheit viel mehr bedarf, ist eines spirituellen Erwachens durch Meditation usw., und wenn unser aller kollektives Unbewusstes mitreden darf, dann wird das Ergebnis ebenfalls « global » sein, aber nicht im Sinne von zwei Mächten, die gegeneinander konkurrieren, sondern auf heilsam überwindende Weise. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir im Moment nur die Wahl haben zwischen „Two Roads to Unfreedom“.

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