Die Rolle Rivlins

Nein, es steht nicht wirklich gut um den Herausforderer Benny Gantz. Die letzten Umfragen zeigen, daß der Likud von Benjamin Netanyahu wieder zulegen konnte, das „Blau-Weiss“-Bündnis aber nicht weiter zulegen kann. Likud mit Bibi käme also auf etwa 29 Mandate, Benny Gantz mit „Blau-Weiss“ auf 30. Der rechte Block hätte insgesamt 64 Sitze, der Mitte-Links-Arabische Parteien-Block käme auf 56 Sitze (man muß wissen: in der Knesset gibt es nur 120 Sitze. Immer.) Je nach Umfrage schwanken diese Zahlen, aber prinzipiell gibt es immer dasselbe Ergebnis: Gantz könnte knapp gewinnen, aber die Rechte hätte eine Mehrheit. Und dann?

Die Stimme der Vernunft

Hier kommt Reuven Rivlin, der israelische Präsident ins Spiel. Rivlin und Netanyahu – beide Likud – sind sich in tiefste Abneigung „zugetan“. Rivlin verachtet Bibi, hat ihm in seiner Zeit als Knessetpräsident immer wieder in die Schranken gewiesen. Vor allem hasst Rivlin die antidemokratischen Entscheidungen Bibis, den Kampf gegen das Oberste Gericht, die Mißachtung der arabischen Bevölkerung, das Nationalstaat-Gesetzt etc. Als ein neuer Präsident des Staates Israel gewählt werden mußte und Rivlin Kandidat war, hat Bibi ihn nicht unterstützt. Dennoch wurde Rivlin gewählt und obwohl er zum Likud gehörte, so ist er heute tatsächlich ein Präsident aller Bürger und die Stimme der Vernunft in der israelischen Politik geworden.

Koalitionsangebot an die Rechte?

Rivlin wäre überglücklich, wenn er Bibi eins auswischen könnte – und ihn nicht mit der Regierungsbildung beauftragen müßte. Das aber kann er nur, wenn Benny Gantz mit mindestens 4 – 6 Mandaten vor dem Likud gewinnt. Beim jetzigen Stand hätte Rivlin theoretisch die Möglichkeit, Gantz zu beauftragen – er hätte ja mit einem Sitz Vorsprung gewonnen – doch das wäre mehr als fragwürdig angesichts der Kräfteverteilung in der Knesset, wenn er das tun würde. Undenkbar wäre es nicht, aber nicht wirklich wahrscheinlich.

Also: Wenn Gantz mit großem Vorsprung gewinnen sollte, 4 – 6 Mandate, dann hätte Rivlin kein Problem. Nur was dann? Die Rechte hätte ja insgesamt doch die Mehrheit in der Knesset? Nun, dann könnte es interessant werden, denn u.U. würde dann die eine oder andere Partei sich überlegen, ob sie ein Koalitionsangebot von Benny Gantz ablehnen würde. Gegen Netanyahu werden wohl bald die Anklagen wg. Korruption etc. erhoben werden, dann würde eine neue Regierung Bibi eventuell schnell auseinanderfallen.

Die religiösen Parteien

Also könnte sich eine rechte oder auch religiöse Partei überlegen, ob es dann nicht doch besser wäre, mit dem Gewinner Gantz (wie gesagt: er muß deutlich gewinnen!) zu koalieren. Bei den religiösen Parteien gäbe es aber da noch ein Problem: „Blau-Weiss“ ist ja ein Bündnis der Parteien von Benny Gantz und Yair Lapid. Lapid ist aber früher eine scharfe Linie gegen die Religiösen gefahren. Das hat er inzwischen etwas revidiert, weil er wußte, daß er ohne die Religiösen nie an die Macht käme, aber die religiösen Parteien haben ihm das nie verziehen.

Nun haben Gantz und Lapid beim Schließen ihres Bündnisses beschlossen, im Falle eines Wahlgewinns das Amt des Premiers rotieren zu lassen: Erst Gantz 2,5 Jahre, dann Lapid. Was man jetzt schon weiß ist, daß wenn Lapid auf die Rotation verzichten würde, „Blau-Weiss“ aus dem Stand wohl 1 – 2 Mandate mehr gewinnen würde – und die Chance Bibi abzusetzen größer würde. Insofern rufen vor allem linke Parteien wie Avoda und Meretz Lapid dazu auf, an das Wohl des Landes zu denken und auf die Rotation zu verzichten.

Da sind wir allerdings bei der Frage, was ihm wichtiger ist? Das Allgemeinwohl oder die eigenen Machtambitionen? Im Moment hat er sich dazu nicht geäußert. Ohne ihn als rotierenden Premier, wäre es für Gantz dann leichter, eine Koalition mit einer religiösen Partei zu formen.

Planspiele

Es gäbe noch eine Option: Gantz gewinnt klar, Bibi müßte als Vorsitzender des Likud abdanken. Dann könnte es sogar eine „Große Koalition“ zwischen „Blau-Weiss“ und Likud geben.

Viele Wenns und Abers, klar. Aber die Politiker aller Seiten machen diese strategischen Planspiele, um zu sehen, wo sie am Schluß bleiben. Auch 9 Tage vor der Wahl bleibt es in Israel spannend. Aber so ist das hier immer. Jeden Augenblick kann noch irgendetwas geschehen, was alles umwirft. Innenpolitisch, außenpolitisch, Skandale, Raketen, was auch immer. Vor dem 9. April kann also für nichts garantiert werden. Alles ist möglich….

 

 

 

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