Der Tod von Amos Oz hat in allen wichtigen Medien weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Oz war vielleicht der wichtigste Schriftsteller Israels, aber mehr noch war er die Stimme des mittlerweile kaum noch zu hörenden Friedenslagers. Ich muß hier nicht auch noch einen Nachruf über ihn schreiben, Sie haben solche sicher schon überall gelesen.
Ich will Ihnen von ein, zwei Begebenheiten erzählen, die ich mit ihm erlebt habe, denn ich kannte ihn. Wir haben mehrfach miteinander gearbeitet, ich habe mehrere Fernsehbeiträge über ihn und seine Bücher gemacht, ich durfte einige Male als Moderator seiner Lesungen in Deutschland fungieren.
Was mich an ihm faszinierte, war eine Eigenschaft, die ich so von niemandem kannte und kenne. Bei jedem unserer Interviews fragte er mich, wie lange die Antworten sein sollten: 20, 30 oder 40 Sekunden. Er wußte natürlich, daß Fernsehen mit Soudbites arbeitet, Bandwurmsätze sind tödlich für ein TV-Interview. Und jedesmal sagte ich ihm die Zeit, die ich „brauchte“ – und bekam sie. Auf die Sekunde genau. Auf Englisch oder auf Hebräisch. Das machte keinen Unterschied für ihn und zeigte nur, wie gut er auch Englisch beherrschte. Und wie präzise und scharf seine Argumentation war. Stets auf dem Punkt. Simpel. Klar. Eindeutig.
Er war kein einfacher Mensch, eine gewisse Unnahbarkeit konnte man hinter seiner allgemeinen Freundlichkeit immer spüren. Aber dennoch war er zuvorkommend. Einmal rief ich ihn in Israel an, als ich noch in Deutschland lebte. Ich brauchte für sein neuestes Werk ein Interview mit ihm, er würde bald in München sein, doch die Veranstalterin seines Leseabends, die auch für seine Interviewtermine zuständig war, erklärte mir, er habe keinen freien Termin mehr, es täte ihr leid.
Ich rief also bei ihm an. „Amos, ich habe ein Problem…“ Er sagte mir, ich solle nochmal die Veranstalterin anrufen und ihr sagen, er wolle mir unbedingt ein Interview geben. Ich tat dies – wieder ein Nein. Ich rief ihn erneut an. „Lass mal, Richard, ich rufe selbst an“. Zehn Minuten später rief er mich zurück. Ich hatte meinen Termin.
Nun lebe ich in Israel und fühle – wie viele Israelis – daß mit ihm ein Stück Israel untergegangen ist. Ja, es gibt David Grossman, ja es gibt auch noch andere Stimmen, die für Frieden eintreten. Doch mit Amos Oz ist sozusagen die Seele des Friedenslagers gestorben.
Seine Feststellung, daß Fundamentalisten mit Ausrufezeichen und ohne Humor leben, wohingegen er lieber mit Humor und Fragezeichen lebt, trifft für das politische Israel von heute mehr denn je zu: Es ist Wahlkampf. Und wir hören schon jetzt nur noch Ausrufezeichen.
Keine Frage. Amos Oz wird fehlen. Sehr.
Ein Gedanke zu „Amos Oz“
Des Hebräischen nicht mächtig, lese ich Amos Oz immer auf Englisch. Es hatte mich aber gefreut,
als er der englischen Übersetzung “A Tale of Love and Darkness“ deren deutsche Version „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ insgesamt vorzog. Später freute ich mich über seine Bewertung des Herrn Trump nach dessen Wahl: „….hat keine Ahnung.“
Nach der traurigen Nachricht des Todes von Oz griff ich spontan ins Bücherregal und angelte „To Know A Woman.“Zwei Zeilen aus dem ersten Kapitel kenne ich auswendig: „He was in the habit of pausing before answering, even simple questions such as How are you? Or What did it say on the news? As though words were personal possessions that should not be parted with lightly.
Ich brauche solche Pausen auch immer, wenn irgend etwas aus oder über Israel infrage steht.