Zurück in Israel, Gaza, die Demo und der ganze Palawatsch

Wie ich vor ein paar Tagen getweetet habe: Es ist so ein eigenartiges Gefühl, wenn ich im Ausland bin und hier in Israel/Palästina tobt gerade der Irrsinn. Da will ich lieber hier sein, vor Ort, das fühlt sich besser an und man ist näher am Puls des Geschehens.

In Deutschland sah und las ich all die Kommentare, die den nächsten Gaza-Krieg schon herbeigeschrieben oder -kommentiert haben. Ich glaube, ehrlich gesagt, im Augenblick nicht so wirklich dran. Klar, ich kann mich irren, doch mir scheint das „Momentum“ noch nicht gekommen, um einen richtigen Krieg vom Zaun zu brechen. Netanyahu befindet sich da in einer Zwickmühle, doch er weiß, daß ein „richtiger“ Krieg ihm wahrscheinlich am Ende politisch eher schaden denn helfen wird. Und er ist ein Mann, der den offenen, all-out-Krieg lieber verhindert als ihn anfeuert.

Naja, und dann war am vergangenen Samstag auch die Demo der arabischen Israelis oder Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft gegen das neue Nationalstaat-Gesetz. Als ich die Bilder gesehen habe, habe ich – wie viele, viele andere – aufgeschrien: Man konnte überall palästinensische Flaggen sehen. Dies spielte Netanyahu und seinen Partnern voll in die Hände!! Sie können nun – nicht ganz zu Unrecht – darauf hinweisen, daß viele arabische Israelis den jüdischen Nationalstaat nicht akzeptieren, daß „Chok hale’om“, wie das Nationalstaat-Gesetz auf Hebräisch heißt, also mehr als notwendig gewesen sei. Manno!

Gewiß, die große Mehrheit der arabischen Israelis möchte hier in Frieden und Gleichheit leben und will den Staat nicht zerstören. Aber viele ihrer Knesset-Abgeordneten, viele in der arabischen Partei, viele ihrer Aktivisten wollen das eben doch. Und so haben sie sich am Samstag mit den palästinensischen Flaggen einen Bärendienst geleistet.

Aber es gab noch ein anderes Problem: Indem viele Israelis, die zum politischen und militärischen Establishment gehören, an der von den Drusen organisierten Demo die Woche zuvor teilnahmen, nicht aber an der von arabischen Israelis organisierten vorgestern, haben sie indirekt, die sie doch Gegner von Netanyahu sind, Netanyahus gesellschaftliches Weltbild bestätigt: Da gibt es zunächst die Juden, dann diejenigen Minderheiten, die im Militär dienen und dann der Rest. Mit Gleichberechtigung des einzelnen Bürgers hat das nicht mehr viel zu tun.

Der ganze Palawatsch hätte verhindert werden können, wenn in das neue Gesetz einfach der eine Satz aus der Unabhängigkeitserklärung aufgenommen worden wäre: Daß alle Bürger gleich sind, gleich behandelt werden.

Also: Jetzt Sommerpause, vermutlich. Im September jüdische Feiertage, da geschieht auch nicht viel. Das nächste Kapitel in Sachen Nationalstaat-Gesetz wird wohl so richtig erst wieder im Oktober geschrieben. Immerhin: Die öffentliche Diskussion ist hier in vollem Gange, das Land funktioniert noch demokratisch und das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Mal sehen. Und hoffen.

Inzwischen bin ich froh, wieder hier zu sein. In der hiesigen Hitze, nicht in der Deutschen. Warum? Hier gibt es überall Air Condition!! Berlin war großartig, wie immer. Aber klimatechnisch eine Qual.

Happy Woche an Sie alle – morgen geht’s weiter!

2 Gedanken zu „Zurück in Israel, Gaza, die Demo und der ganze Palawatsch

  1. Danke für dieses Exempel…

    Palästinenser sind auf dieser Demonstration gegen das neue Nationalstaat-Gesetz mit Palästinenserflaggen erschienen. Herr Schneider sagt, sie haben sich damit einen Bärendienst erwiesen, da, und ich schreibe ab : « … die grosse Mehrheit der arabischen Israelis möchte hier in Frieden und Gleichheit leben und möchte den Staat nicht zerstören. »

    So ? Aber sie gehen mit der palästinensischen Flagge zu einer Demo, um gegen das Nationalstaat-Gesetz die Stimme zu erheben. Gegen dieses Gesetz, und die Flagge sagt : auch gegen den israelischen Staat.

    Was versteht Herr Schneider nicht ? Warum sagt er : « … O Mann ! » – Er weiss offenbar, was die Mehrheit der israelischen Araber will, was sie wirklich will, und das ist nicht das, wofür sie auf die Strasse gehen.

    Dazu kann ich nur sagen : « O Mann ! » und darin liegt ein zentrales Problem in Schneiders Verständnis der Situation.

    Warum sollten die Menschen nicht meinen, was sie sagen ? Zeugt es nicht von Mangel an Respekt, zu unterstellen, dass sie nicht wissen, was sie eigentlich wollen, dass sie nicht sagen, was sie meinen ?

    Wie wäre es damit, einmal damit anzufangen, die Worte anderer Ernst zu nehmen, denn vielleicht wollen sie genau das sagen, was sie sagen, und vielleicht meinen sie es genau so und nicht anders. Davon sollte man ausgehen. Mündige Erwachsene meinen, was sie sagen. Erwachsensein ist kein Sandkastenspiel. Andere sagen, was sie meinen, und ich selbst sage, was ich meine. Auch Herr Schneider sollte meinen, was er sagt und anderen nicht die Bedeutung ihrer Worte in den Mund legen bzw. davon ausgehen, dass wer A sagt sicher B meint.

    Es ist nicht so, dass ich es glücklich finde, dass israelische Araber sich mit dieser Aktion offenbar einmal mehr ins eigene Fleisch geschnitten haben, aber zugleich ist genau das geschehen und nichts anderes. O Mann. Ja, so ist es. Und daran ändern auch die palästinensischen Freunde nichts, die ganz sicher nur Frieden wollen.

  2. In Ergänzung zu meinem Kommentar: Wenn es stimmt, dass, sagen wir, 70% der arabischen Israelis ganz sicher nur Frieden wollen und 10 – 30% wünschen sich, dass der Staat Israel zerstört wird, und es ist nur diese zuletzt genannte Minderheit, die mit ihren Flaggen demonstrierend auf die Strasse geht, während sich alle anderen in Gleichgültigkeit üben oder sich aus Angst vor Repressalien durch Militante in den eigenen Reihen nicht auf die Strasse trauen, dann sind es – leider – nur diejenigen, die sich Israel von der Landkarte wegwünschen, die gesehen und gehört werden bzw. friedliebende 70% nehmen hin, dass sie nicht gehört werden und überlassen den anderen das Feld. Daran gibt es nichts zu beschönigen. In dieser Situation bedeutet Gewährenlassen Unterstützen.

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