Die Erosion demokratischer Strukturen beginnt häufig damit, daß demokratisch gewählte Politiker in zunächst kleinen, dann immer größeren und drastischeren Schritten das System, durch das sie gewählt wurden, allmählich aus den Angeln heben. Wir sehen das in der gesamten westlichen Welt. Ob in Ungarn oder Polen, in Italien oder den USA. Und leider auch in Israel.
Der israelische Inlandsgeheimdienst, Shabak oder Shin Beth genannt, hat 5 jüdische Teenager gefasst, die mutmaßlich für den Tod der Palästinenserin Aisha al-Rawb verantwortlich sind. Sie sollen letzten Oktober Steine auf ihr Auto geworfen haben, was zu ihrem Tod geführt hat.
„Wahre“ Terroristen
Nun wird der Shin Beth von Siedlern und andere rechten Kräften massiv angegriffen, daß er seine Kräfte auf jüdische Jugendliche „verschwendet“ anstatt sich um die „wahren“ Terroristen, gemeint sind natürlich Palästinenser, zu kümmern. Die Anwälte der minderjährigen Jugendlichen und prominente rechte Führungsfiguren werfen dem Shabak unlautere, brutale Verhörmethoden vor.
Nun ist es absolut im Rahmen eines jeden Rechtsstaates, daß eine staatliche Organisation kritisiert werden darf. Ebenso verständlich und richtig ist es zunächst, daß sowohl Premierminister Netanyahu als auch Präsident Rivlin sich vor den Shin Beth stellen, ihn verteidigen und erklären, daß auch jüdischer Terror verfolgt werden muß.
Shaked unterläuft das Rechtssystem
Problematisch wird es, wenn ausgerechnet die Justizministerin Israels, Ayelet Shaked, die Eltern der festgenommenen Minderjährigen besucht, den Premier auffordert, dafür zu sorgen, daß die Jugendlichen freigelassen und die „wahren Kriminellen“ gesucht werden. Shaked betreibt hier nicht nur Wahlkampf bei den Siedlern für ihre neue rechte Partei, sondern sie unterläuft das Rechtssystem, für das sie selbst verantwortlich ist und das sie schon seit geraumer Zeit zu verändern versucht. So gelang es ihr bereits, das Oberste Gericht insofern zu verändern, als sie ultrarechte Richter ins oberste Justizgremium berufen hat, wir kennen das auch aus den USA, wo Trump den Supreme Court mit erzkonservativen Richtern besetzt und somit die Rechtsprechung auf Jahre hinaus in seinem Sinne verändert hat.
Keine Frage von „rechts“ oder „links“
Das Schlimme in Israel: Niemand ist überrascht. Die „üblichen Verdächtigen“ protestieren und schimpfen und warnen vor den Gefahren für das demokratische System. Die große Mehrheit der Menschen aber interessiert sich nicht weiter oder ist unter Umständen sogar auf Seiten von Shaked und ihren Methoden.
Solche Beispiele gibt es immer häufiger. In Israel, in Europa, in den USA. Und es ist keine Frage mehr von „rechts“ oder „links“, sondern von demokratisch und antidemokratisch. So zerstört man das demokratische System von innen. Wenn der Staat sich gegen den Staat stellt, oder zumindest „Teile des Staates“ sich gegen den Staat stellen.
Ein Gedanke zu „Wenn der Staat sich gegen den Staat stellt“
Klingt mir ein bisschen so ähnlich, wie der Fall von Ex-Verfassungspräsident Maaßen, der vor einer Weile nach den Ausschreitungen in Chemnitz geleugnet hatte, dass es dort eine Jagd auf Ausländer gab. Und statt dessen die Gefahr bei den Linken ortete, die das Video aufgenommen hatten. Er wurde daraufhin nach langem, zähem Ringen mit Innenminister Seehofer in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Ob so etwas auch Ayelet Shakad passieren könnte, wäre ein Test für die israelische Demokratie.