So, wieder zurück in Tel Aviv, komme ich genau dann an, wenn die israelische Armee ankündigt, die Tunnel, die die Hizbollah im Norden Israels gegraben hat, zu zerstören. Warum die Hizbollah das gemacht hat? Na, fragen Sie mal nach bei den Herrschaften in Teheran nach… Wer immer noch glaubt, die Mullahs dort seien nette Menschen, der sollte sich mal fragen, welches Interesse die Hizhollah hat, einen Angriff auf Israel so zu planen.
In der vergangenen Woche hatte ich in Deutschland interessante Begegnungen und Gespräche. So traf ich bei einer Veranstaltung in Dortmund Bischof Sani Ibrahim Charlie Azar von der Evangelischen Kirche in Jordanien und dem Heiligen Land. Ein sehr angenehmer und freundlicher Mann, der obendrein – wie ich – FC Bayern Fan ist. Das verbindet.
Doch was uns trennt, wurde auch schnell offensichtlich. Er sprach davon, daß er von einem Zusammenleben von Juden, Muslimen und Christen in einem einzigen Staat träume. Das klingt zunächst einmal schön, doch implizit ist darin das Ende des jüdischen Staates enthalten. Denn in diesem „einen und einzigen Staat“ hätten die Palästinenser rasch die Mehrheit. Und dann würden Juden wieder einmal als Minderheit in noch einem Staat leben, wie schon sowieso überall auf der Welt. Diese „freundliche“ Verpackung des Endes des jüdischen Staates kam beim Publikum in der Kirche erst einmal gut an, denn die Botschaft ist ja schön und friedlich – aber völlig illusorisch. Interessant wäre, wie dann der „Kikar Rabin“, der Rabinplatz in Tel Aviv, umbenannt wird: etwa in Kikar Arafat? Daß ausgerechnet die israelische Rechte die „Ein-Staat-Politik“ vorantreibt ohne eine realistische Antwort darauf zu haben, was denn dann mit den Mehrheitsverhältnissen werden soll, ist die Ironie in dieser Geschichte.
Bischof Azar sprach aber auch darüber, wie wunderbar das Zusammenleben zwischen christlichen und muslimischen Palästinensern funktioniere. Auch diese Aussage überraschte mich ein wenig. Hatte er bereits vergessen, daß die Hamas Kirchen in Gaza angezündet hat (ich hatte darüber noch als Korrespondent berichtet), hat er vergessen, daß viele Christen in Bethlehem wg. der Angriffe durch Islamisten die Stadt verließen – und nicht nur wegen der israelischen Besatzung, wie das gerne erzählt wird? In meinem Film über Christen in Bethlehem aus dem Jahr 2008, für den mein damaliger, großartiger Kameramann Peter Juras den deutschen Kamerapreis erhielt, erzählten uns christliche Palästinenser wie unerträglich das Leben unter den Islamisten geworden sei…
Nun, jeder hat seine Wahrheit und sein Narrativ… und jeder verfolgt ein bestimmtes Ziel. Das ist sein gutes Recht und man weiß ja, wenn man sich lang genug im Nahen Osten aufhält, daß man grundsätzlich jedem mißtrauen soll mit seinen Erzählungen. Ein bißchen Wahrheit, ein bißchen Dichtung, ein bißchen Lüge… es ist ein schwieriges Gemisch.
Und was gab es noch in der vergangenen Woche? Züge der DB, die bis zu eine Stunde Verspätung hatten, Züge, in denen es eine einzige funktionierende Toilette auf drei Waggons hatte, Zugrestaurants ohne Essen, weil nicht geliefert wurde… Aber: das ist ja nix Neues. Nur immer wieder ärgerlich. Hauptsache die Zugtickets werden immer teurer 😉
3 Gedanken zu „Tunnel… und unterschiedliche Erzählungen“
Ein kleines Feedback von einer, die auch da war…
… in der kalten Kirche in Sham-pé umringt vom dortigen Weihnachtsmarkt am Sabbatabend unter dem Kruzifix. Ja, da sprachen Herr Schneider und Bischof Azar. Herr Schneider sprach sehr viel, sehr eloquent und schien das Rampenlicht sehr zu geniessen, und er wirkte wesentlich entspannter als bei seinen Auftritten für die ARD in der Vergangenheit. ‘Wes Brot ich ess…‘ ; er strahlt aus, dass er nun weitgehend sein eigener Herr ist. Das verleiht seiner Rede Authentizität, da, wo er sich früher doch immer wieder auch hat verbiegen müssen, um als irgendwie neutral und sachlich-objektiv ‘rüberzukommen.
Das « Shabbat Shalom » zu Beginn liess er sich nicht nehmen, und wäre ich zu Beginn der Veranstaltung in ihn hineingestolpert, so hätte auch ich ihm diesen friedvollen Sabbat gewünscht, aber ich kam mit erheblicher Verspätung, und so konnte es keine Stolpereien geben.
Ich muss bei solchen Schneider’schen Vorträgen auch daran denken, dass er sich selbst vor einiger Zeit als deutschen « Vorzeigejuden » bezeichnet hat. Nicht, dass er dieser sein will, aber er empfindet, dass andere ihn so sehen, und das war an diesem Abend wahrscheinlich auch nicht anders. Und so sprach er – einmal wieder – repräsentativ als Vertreter der deutschen Juden. Nein, so hat er’s nicht gesagt, und so hat er es nicht gemeint, aber so mögen die Anwesenden es dennoch empfunden haben. Er spricht ganz einfach für sich selbst, und er ist jüdisch, lebt heute vielleicht die meiste Zeit in Israel, auch wenn er noch immer – Hand aufs Herz – viel Zeit in Deutschland bzw. dem deutschsprachigen Raum verbringt. Und so ist auch die Rede gegen eine 1-Staaten-Lösung sein Ding, aber nicht die Sicht aller Israelis oder Juden der Diaspora, um dies nur als ein Beispiel unter vielen zu nennen.
Schneider lebt säkular und hat heute kein Problem mehr damit, am Sabbatabend in einer Kirche über sein Israel zu sprechen. Toleranz üben und Sein und Sein lassen sind ihm heute wichtiger als das grosse Verstandenwerdenwollen von « den » Deutschen seiner früheren Jahre. Er steht da und spricht als der, der er ist, und das mag verstehen, wer will – oder auch nicht. Er hat seine deutsch-jüdische Identität integriert. Es gibt kein Hadern mehr mit diesem Dazwischensein.
Bischof Azar machte einen leisen, bescheidenen Eindruck. Er ist kein so grosser Redner, hat auch nicht von der Kanzel bzw. dem Reddnerpult herunter gesprochen, sondern blieb auf der Ebene der Anwesenden, an einem Tisch stehen, dann sitzen und las in Auszügen aus einer früheren Rede vor und betonte dabei mehrmals, dass er sich kürzer fassen werde als Schneider. Er kam ‘rüber als milder Mann des Friedens, der auch von seiner Familie erzählte, von seinen drei Töchtern und dass er es gewohnt sei, nicht immer zu Wort zu kommen.
Die Gegensätze beider Redner hätten grösser nicht sein können. Ich denke, dass nicht alle Anwesenden dem Gedanken- und Redefluss Schneiders immer haben folgen können. Da ich gut vertraut bin mit seinen Ideen und dem Hintergrund seines Vortrags, habe ich den Abend – zum ersten Mal Schneider live – auf meine Weise genossen, aber am Ende… stelle ich immer mehr und immer öfter fest, dass sich virtuelle von realen Begegnungen gar nicht so sehr unterscheiden, wie man annehmen mag. Das heisst, die virtuelle Realität ist allen Unkenrufen zum Trotz durchaus real, wie ich seit jeher gesagt habe. Gut. Hiermit entferne ich mich zu weit vom Thema.
Die Erfahrung mit der Bahn in Deutschland hat fast schon etwas von Brot und Spielen. Man spricht so gerne darüber wie übers Wetter. So geht der Gesprächsstoff, der alle sozialen Schichten verbindet, niemals aus. Vielleicht ist das so gewollt ? Wer da so zuhört, mag sich fragen, warum in Deutschland überhaupt noch jemand Bahn fährt, aber nach Wochen mit einiger Autobahnerfahrung in Deutschland – mit Staus, Baustellen, Baustellen-Staus und Unfällen bei exorbitanten Spritpreisen – bekommt man doch Lust auf das Abenteuer Bahn – ein andermal.
Klar, ist es unmoralisch, Tunnel zu graben und Menschen auf der anderen Seite zu überfallen oder gar zu ermorden. Doch in dieser Hinsicht ist der israelische Staat ja wahrlich auch keine Waisenknabe. Ist es für ihn doch geradezu Routine als Vergeltungsaktion für Angriffe auf Israel ohne jeglichen Prozess vermeintlich Schuldige zu liquidieren und deren Häuser zu zerstören. Und das inzwischen sogar mit ferngesteuerten Bulldozern. Auch das kann man nicht wirklich moralisch nennen. Wer sind hier also die Guten und wer die Schlechten? Oder hängt das Urteil vielleicht doch eher davon ab, ob man als Jude oder als Palästinenser geboren wurde? Wäre es da nicht gut, mal zu überlegen, wie man die Lage beurteilen würde, wenn man als Kind der jeweiligen Gegenseite auf die Welt gekommen wäre?
Gleiches gilt für den Jubel über den vermutlich baldigen Untergang der weißen, europäischen Vorherrschaft in den USA. Darüber freut sich derjenige, der vermeintlich oder tatsächlich einer der Minderheiten angehört, die bisher den Kürzeren gezogen haben. Ganz anders beurteilt man das selbe Phänomen jedoch in Israel. Wenn sich hier die Mehrheitsverhältnisse zugunsten der bisherigen Minderheiten durch eine Einstaatenlösung verschieben würden, muss natürlich alles getan werden, um den bisherigen Status eines vorrangig jüdische Staates zu wahren. Diese Art der Beurteilung gleicher Fakten mit zweierlei Maß mag menschlich sein. objektiv ist sie jedoch keinesfalls. Und sie wird auch nicht dabei helfen, einen wirklichen Frieden für die Region auszuhandeln.
Übrigens sind Mitgefühl, Kooperation und ein Sinn für Gerechtigkeit keineswegs rein menschliche Eigenschaften. Vielmehr haben sich diese Fähigkeiten im Laufe der Evolution entwickelt. Deshalb zeigen auch etwa Affen und Hunde einen Sinn für Fairness. Schimpansen umarmen einen verängstigten Artgenossen, um ihn zu trösten. Und Ratten befreien erst einen eingeschlossenen Artgenossen, bevor sie sich gemeinsam mit ihm über Leckereien hermachen.
https://www.arte.tv/de/videos/053958-000-A/wie-tiere-fuehlen/