Es war klar: die Patientin war über einen langen Zeitraum lebensgefährlich erkrankt, die Aussichten auf Erholung oder gar Heilung waren gering. Doch es gab immer noch einige Angehörige und Freunde, die hofften, das Unmögliche könnte doch noch möglich werden, entgegen den Zeichen an der Wand, wider besseren Wissens, wider jede Logik. Aber so ist das mit der Liebe: Man klammert sich an etwas, was es nicht mehr gibt, aber das man nicht verlieren will, obwohl es einem längst entglitten ist, obwohl es längst nicht mehr existiert. Und so gab es jetzt eigentlich auch keinen Aufschrei, als die Patientin, am 13. Januar 2020 tatsächlich verstarb. Der Tod war plötzlich kein Schock mehr. Ganz tief, im Inneren, wußte jeder, daß es so kommen wird. Und als es nun geschah, da war eben doch niemand so wirklich überrascht. Vielleicht eher sogar ein Stück erleichtert. Jetzt ist es Gewissheit, jetzt ist es eindeutig. Man kann sich’s nicht mehr schön reden.
Die Patientin? Sie kennen sie oder richtiger: Sie erinnern sich an sie. Es ist: die israelische Linke. Die allerletzten Überreste dieser Linken sind nun untergegangen. An diesem 13. Januar als sie erkennen mußte, daß sie keine Chance hat zu überleben. Und so haben sich Meretz und Avoda entschlossen, einen sogenannten „Merger“ einzugehen, also als eine gemeinsame Wahlliste bei den Parlamentswahlen am 2. März anzutreten, weil die Gefahr, daß eine oder gar beide Parteien in sieben Wochen nicht mehr die 3,25% Hürde überwinden, extrem hoch ist. Nun hat man sich – scheinbar – Zeit gekauft. Ja, ok, dieses komische Gebilde wird vielleicht nochmal ein paar Mandate in der nächsten Knesset besetzen (falls Bibi nicht schon wieder Neuwahlen in einem weiteren halben Jahr erzwingen wird…). Aber was bedeutet das schon? Es ist unerheblich. Die Linke ist ein abgehalftertes Stück 20. Jahrhundert. Ihre ewig gleichen Slogans, allen voran die „Zwei-Staaten-Lösung“ an die kein Mensch mehr glaubt (oder glauben will), die Hilflosigkeit ihres Programms, das keine Antworten gibt, wie man denn einen palästinensischen Staat, geschweige denn einen Abzug der Siedler erreichen mag, die Sprachlosigkeit, in der sich diese ehemalige aschkenasische Elite eingenistet hat und niemanden jenseits von „Nord-Tel-Aviv“ erreicht, weil sie einfach nicht die Sprache der Misrachim spricht, die Lächerlichkeit zu meinen, wenn man misrachische Israelis in wichtige Positionen auf die Wahlliste hievt oder sie gar zu Parteivorsitzenden macht, die Lächerlichkeit zu glauben, daß man so die misrachische Wählerschaft erreicht, zeigt nur, wie aschkenasisch diese untergehende Linke immer noch ist. Sie hat keine Ahnung von „den Anderen“, sie versteht Israel nicht mehr. Sie ist am Ende. Friede sei ihrer Seele. Da helfen auch keine „sozialen Themen“ mehr. Am Ende geht es immer nur um Sicherheit in Israel. Aber selbst das hat die Linke nicht mehr wirklich verstanden in den letzten Jahren. Goodbye. Niemand braucht Dich mehr. Wir werden Deiner liebevoll gedenken – als diejenige Kraft, die den Staat Israel ins Leben gerufen hat. Immerhin.
2 Gedanken zu „Nachruf auf eine Freundin“
Daraus geht für mich eindeutig hervor, dass es keinen Palästinenserstaat geben wird. Wie wollte man auch Hunderttausende ‚Siedler‘ aus ihren Häusern vertreiben. Und die Besiedlung geht weiter, jeden Tag. Es kann also nur einen einheitlichen Staat geben, mit Kantonen vielleicht. Dazu müssen beiden Seiten die Aussöhnung wollen.
Lieber Herr Schneider, traurig, aber wohl wahr… Aber wenn nun das ‚Zweistaatenmodel‘ passé erscheint und wohl auch ist.
Welche Alternative halten Sie für realistisch? Was könnte für beide Seiten dennoch akzeptabel sein? Viele Grüße Inge Pons