Loyalität

Gibt es unterschiedliche Loyalität? Verschiedene Loyalitäten? Natürlich gibt es sie. Man kann gegenüber seinen Eltern loyal sein, aber auch gegenüber seiner Lebenspartnerin (-partner). Manchmal gerät man deswegen in Konflikt, aber im Grunde leben wir alle mit unterschiedlichen Loyalitäten. Immerzu.

Zwei Sprachen? Keine Loyalität

Menschen, die entweder völlig krank sind oder zutiefst mißtrauisch – oder beides – haben damit ein Problem. Adolf Hitler soll zum Beispiel Dolmetschern mißtraut haben angesichts ihrer Loyalität. Ein Mensch, der mehr als eine Sprache könne, so soll Hitler gesagt haben, könne nicht loyal sein. Nun, was er wohl meinte war, daß die Kenntnis einer zweiten Sprache automatisch auch die Kenntnis einer anderen Kultur bedeutet. Daß die eigene Kultur, in dem Fall „das Deutschtum“, relativiert werden kann. Daß man abwägen kann, daß man nicht alles gut in der einen oder anderen Kultur finden muß, daß man – vor allem – relativieren kann. Und nichts hassen Diktatoren, Autokraten und Populisten mehr als das Relativieren. Sie ist nämlich die Basis für: Skepsis. Und Skepsis ist der Stoff, aus dem Demokratie gemacht ist. Natürlich auch der Kompromiss, der ebenfalls ein Kind des Relativierens ist. Das Absolute hat keinen Platz in der Relativierung. Das ist gut, um die Demokratie am Leben zu halten. Aber auch gut für das eigene Leben. Denn wenn ich ausschließlich meinen Eltern gegenüber loyal sein muß, aber nicht gegenüber meiner Lebensgefährtin (oder umgekehrt), dann geht „Beziehung“ nicht. Dann geht nur noch „Alles oder Nichts“, „Schwarz oder Weiss“.

Eines der ältesten antisemitischen Vorurteile

Genau so denkt Donald Trump. Das ist nicht neu, aber es bestätigt sich immer und immer wieder. Und nun hat Trump die Katze so richtig aus dem Sack gelassen. Er hat es eigentlich bereits nach den Vorfällen in Charlottesville getan (da hat er noch versucht zu „relativieren“. Aber da – ja, auch das gibt‘s – gab‘s nichts zu relativieren). Nun aber hat er die jüdische Gemeinschaft in den USA angegriffen. Mit einem der ältesten antisemitischen Vorurteile, die es gibt: Juden seien nicht loyal. In der Vergangenheit wurde dies begründet, daß sie vaterlandslose Gesellen seien (als ob ihnen die „Vaterländer“ jemals das Gefühl oder das Recht hätten geben wollen, Teil des Landes zu sein…), oder daß sie „Kosmopoliten“ oder „Bolschewiken“ oder „Kapitalisten“ oder was auch immer seien. Oder aber – die jüngere Variante: daß alle Juden weltweit eigentlich „Auslandsisraelis“ seien, sie also in erster Linie gegenüber dem jüdischen Staat loyal seien, aber nicht gegenüber dem Land, in dem sie geboren und aufgewachsen sind, dessen Sprache sie sprechen, sie Teil dessen Kultur sind, dessen Staatsbürgerschaft sie inne haben.

Auch ich kenne natürlich dieses Vorurteil. Auch ich wurde in der Vergangenheit, als ich in Israel noch als Korrespondent gearbeitet habe, vor allem anfänglich von deutschen Bekannten und Kollegen gefragt, wie ich mich denn in der „Heimat“ fühle. Und ich antwortete jedesmal dasselbe: Ich sei 3000 km von meiner Heimat entfernt, was denn damit gemeint sei – ich wußte natürlich genau, was gemeint war.

König von Israel

Trump hat nun in einem Tweet Juden, die die Demokraten wählen, vorgeworfen, sie seien „illoyal“. Dazu muß man wissen, daß mehr als 70% der US-Juden die demokratische Partei wählen. Daß sie Obama gewählt haben, daß sie Trump verabscheuen, diesen großartigen „Bibi-Freund“, daß sie die israelische Politik des rechten Netanyahu ablehnen, daß sie die Abweisung von zwei gewählten Vertreterinnen des US-Kongresses, nach Israel einreisen zu dürfen, kritisieren.

Aber Trump ist im Wahlkampfmodus. „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“, ist also illoyal. Die Juden – die er doch so umgarnt und huch, er hat sogar einen jüdischen Schwiegersohn und seine Tochter Ivanka ist zum Judentum übergetreten, da kann er doch „unmöglich“ ein Antisemit sein, nebbich – also, die Juden sind undankbar. Er der gestern von einem ultrarechten Moderator noch als „König von Israel“ bezeichnet wurde, als bester Präsident aller Zeiten für die Juden, er, dieser großartige Israel-Freund, wird von der Mehrheit der Juden nicht geschätzt oder gewählt. Also, dann ab in die Mottenkiste der antisemitischen Klischees: illoyale Zeitgenossen, diese Juden. Pfui…

Absurd und bizarr wurde es dann so richtig danach: Denn irgendwer stellte die Frage: Wem gegenüber seien die Juden eigentlich „illoyal“? Und dann begann die Trump-Truppe herumzulavieren: sie seien Israel gegenüber illoyal, und dann: sie seien anderen Juden gegenüber illoyal, die die Republikaner wählen…. was auch immer….

Alle, wirklich alle jüdische Organisationen in den USA waren außer sich und reagierten öffentlich dementsprechend.

Die Spaltung schreitet voran

Aber einer blieb stumm: Benjamin Netanyahu. Aus Jerusalem kam: nichts. Keine Reaktion. Nein, das ist nicht verwunderlich. Ein Regierungschef, der sich mit Antisemiten bestens versteht (siehe Ungarn, Polen), der hilft, die Geschichte des Holocaust, bzw. den Anteil der Polen am Holocaust umzuschreiben, der auch nichts gesagt hatte, als Trump die antisemitischen Parolen von Charlottesville nicht verurteilt hatte, der wird natürlich auch jetzt nichts sagen. Und treibt damit die Spaltung zwischen den US-Juden, die größte und wichtigste Diaspora-Gemeinschaft, und Israel weiter voran. Immerhin erweist wenigstens Bibi Trump große Loyalität……….

Die Juden und Israel werden von Trump inzwischen instrumentalisiert. Indem er die demokratische Partei dank ihres „Squads“, den vier jungen neuen Kongressabgeordneten, die kritisch gegenüber Israel sind und die tatsächlich zum Teil auch antisemitischen Mist von sich geben, als antisemitische und antizionistische Partei darzustellen versucht. Ilhan Omar, Rashida Tlaib und die anderen seien das „wahre Gesicht“ der Demokraten. Das versucht Trump den Amerikanern einzureden. Und das alles geschieht auf dem Rücken der US-Juden. Das aber kann nicht gut gehen.

Stürmische Zeiten. Und Juden in den USA verstehen immer mehr, wie sich Juden in Europa fühlen: unsicher in Zeiten wachsenden Antisemitismus‘, dem die meisten Regierungen nur wohlfeile Reden entgegenhalten. Und sonst nicht viel mehr.  In den USA ist man schon einen Schritt weiter: Da spuckt der Regierungschef antisemitische Töne. Und das ausgerechnet in der „Goldenen Medine“, im „goldenen Land“, wie Juden die USA stets bezeichneten.

 

3 Gedanken zu „Loyalität

  1. Interessante Analyse.
    Aber selbst Herr Schneider instrumentalisiert „Die Juden“ um seine Trump Kritik zu verdeutlichen.
    Interessant wäre es, wenn er stattdessen – gerne auch ohne „Die Juden“ zu zitieren – die Demokraten Amerikas ebenfalls derart kritisch durchleuchten würde in punkto Juden und vor allem, was die so treiben, wenn es um Israel geht…

    Z. B. wie Herr Gross das beschreibt:,
    https://blogs.timesofisrael.com/defining-liberal-progressive-jewish-disloyalty/

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