Israelis machen sich inzwischen über sich selbst lustig: „Krieg? Kein Problem. Regenstürme? Katastrophe!“ – so geht der Witz in der Kurzform derzeit. Was sich im Augenblick im Land abspielt, ist wahrlich eine Katastrophe. Die Regenstürme sind dieses Jahr so heftig, daß das halbe Land unter Wasser steht. Selbst in Städten wie Tel Aviv gibt es viele Straßenzüge, in denen das Wasser nicht nur bis zum Knie, sondern bis zum Bauchnabel. Medien berichten, daß Meteorologen schon lange vor solchen Regenstürmen warnen, sie seien ein weiteres Zeichen für den weltweiten Klimawandel, Stürme, wie sie diese Region kaum gekannt hat, die aber wohl in Zukunft „normal“ werden dürften.
Hin und her hüpfen
Doch auch ohne Klimawandel: Ich habe in den letzten Jahren immer und immer wieder im Winter Regenfälle erlebt, die das Land überzogen und für Chaos gesorgt haben. Ich erinnere mich, wie ich früher Straßen in Tel Aviv fotografiert habe, die unter Wasser standen und diese dann gepostet habe zusammen mit Israelis, die zwischen den riesigen Wasserlachen in ihren Gummistiefeln hin und her hüpften. Das gesamte Abwassersystem in Israel ist dysfunktional, gar nicht zu reden von vielen Häusern, die keine vernünftige Isolation haben und so nachlässig gebaut sind, daß bei etwas stärkeren Regen das Wasser sofort ins Innere dringt.
Und was tut die Regierung? Was tun die Stadtverwaltungen? Nichts. Seit vielen Jahren: nichts. Das wird sich rächen in den nächsten Jahren. Jeder weiß es, doch nichts oder – ehrlicherweise – fast nichts geschieht. Die Unfähigkeit mit den Wassermassen umzugehen macht aber auf ein weiteres Problem aufmerksam, das das ganze Jahr über auftreten kann: Krieg. Kein Problem, wie Israelis angesichts der Regenfälle witzeln? Doch – ein großes.
Und bei Raketenbeschuß?
Gewiß, alle neuen Häuser und Wohnungen haben sogenannte Sicherheitsräume, in denen sich die Bewohner aufhalten können bei Raketenbeschuß. Aber viele ältere Häuser haben keinen solchen Schutz, öffentliche Bunker gibt es, aber – wie immer wieder gewarnt wird – nicht ausreichend, vor allem im Norden, an der Grenze zu Libanon und Syrien, mit anderen Worten also: zur Hezbollah und den iranischen Kräften.
Auch hier wird seit Jahren immer wieder darauf aufmerksam gemacht, daß dringend Handlungsbedarf steht. Und es geschieht: Nichts oder fast nichts oder zu wenig.
Und nun hat das Land seit bald einem Jahr keine handlungsfähige Regierung. Das bedeutet: In vielen Sektoren können keine Budgets verabschiedet, es können keine mittel- oder langfristige Pläne verabschiedet werden, alles stagniert.
Der Königsmacher
Wird sich nach dem 2. März etwas ändern, nach der dritten Parlamentswahl innerhalb eines Jahres? Den Umfragen folgend, wohl eher nicht. Es dürfte wohl wieder ein Patt geben, mit einem Wahlsieg von Blau-Weiss zwar, aber wieder mit zu wenig Stimmen auf der sogenannten „Mitte-Links“ Seite. Und wie wird sich diesmal der „Königsmacher“ Lieberman entscheiden? Er wollte weder eine Minderheitsregierung mittragen, noch eine Regierung, in der die arabische Partei „Joint List“ in die Koalition aufgenommen wäre. Was also jetzt nach dem 2. März? Lieberman ist angetreten, um Netanyahu zu Fall zu bringen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Jede neue Wahl verschafft dem inzwischen angeklagten Premier Zeit. Ein neues Patt könnte also zu einer vierten und dann was… einer fünften Wahl führen?
Geiselhaft
Wenn sich bis zur Wahl nichts verändert, wenn es also nicht eine eindeutige Verschiebung zugunsten einer der beiden Seiten geben wird, sodaß eine Regierung mit mindestens 61 Mandaten möglich wird, dann wird sich Lieberman entscheiden müssen, was er tut. Denn allmählich ist es nicht mehr so, daß Netanyahu das Land in Geiselhaft genommen hat, um nur ja nicht in den Knast zu kommen, sondern inzwischen ist es (auch) Lieberman, der mit seiner Position die Regierungsbildung verunmöglicht. Nur – wie wird er sich entscheiden, falls… Wird er doch mit Netanyahu und den orthodoxen Parteien eine Koalition eingehen? Das wäre klarer Verrat an seinen Wählern, denen er versprochen hat, die Macht der Frommen einzuschränken oder gar zu brechen. Aber er könnte natürlich argumentieren, daß er keine Wahl habe, das Land brauche nun eine Regierung…. Wird er mit Blau-Weiss eine Koalition eingehen, unter der Duldung der arabischen Partei? Schwer vorstellbar zur Zeit. Niemand weiß es, wohin die Reise diesmal gehen wird. Sicher ist: die Israelis sind müde, viele haben keine Lust mehr wählen zu gehen. In meinem Umfeld kenne ich zwei Israelis, die sich entschieden haben, am 2.März keine Stimme mehr abzugeben. Das ist nicht gut. Aber sollte sich das als Trend weiterentwickeln, sollten mehr und mehr Israelis sagen: genug, wir wollen nicht mehr – dann könnte das alles auf den Kopf stellen, was Umfragen derzeit behaupten. Und danach dürfen diese Nichtwähler sich aber nicht beschweren, wenn der Wahlausgang nicht so ist, wie sie das eigentlich wollten.
Ein Gedanke zu „Krieg? Kein Problem. Regenstürme? Katastrophe“
Lieber Herr Schneider, wie gut ,dass Sie zurück sind. Eine klare Orientierung tut sehr Not.Danke