Ich bin ein wenig fassungslos, auch wenn ich nicht überrascht bin angesichts dieses neuen Phänomens. Eine Freundin rief mich tränenüberströmt an. Ihr Lebensgefährte hat mit ihr Schluß gemacht. So weit so gut oder eben: schlecht. Aber wie er mit ihr Schluß gemacht hat, ist das eigentliche Skandalon: per Whatsapp. Eine kurze Nachricht: »Ich verlasse Dich, es hat keinen Sinn mehr.« Aus. Ende. Vorbei. Irre, nicht wahr?
Es ist kein Einzelfall, ich weiß, aber es ist das erste Mal, daß jemand in meinem Umfeld so verlassen wird. Die erste Reaktion: »Was für ein riesiges Rindvieh ist dieser Typ eigentlich?« – den ich natürlich seit Jahren kenne und stets sehr nett fand. »So kann man sich doch nicht von jemanden trennen. Per Textnachricht!«
Doch je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir: doch, man kann. Es hat für viele nichts eigenartiges mehr, nur noch per WhatsApp zu kommunizieren. Und ich gebe zu: Auch ich benutze dieses Kommunikationsmittel viel und ausführlich, wenngleich ich noch zu wissen meine, wo man dann doch das direkte Gespräch suchen muß, welche Themen und Situationen sich einfach nicht mehr für WhatsApp oder SMS oder so eignen.
Telefonankündigung per WhatsApp?
Aber es ist doch tatsächlich so, daß inzwischen viele ja sogar das Telefonieren scheuen. Ich weiß nicht mehr wo, aber vor einigen Tagen las ich einen Artikel, in dem genau dieses Phänomen beschrieben wurde: Daß man sich nicht einmal mehr jmd. anzurufen traut, sondern nur über text message die Leute kontaktiert, um dann eventuell auch noch zu fragen, ob man denn jetzt anrufen könne. Das war früher anders: Wenn man mit jemanden sprechen wollte, dann rief man die Person an. Und wenn sie nicht konnte, sagte sie das. Und man rief später wieder an. Heute? Fehlanzeige. Man traut sich nicht mehr anzurufen – und viele wollen gar nicht mehr angerufen werden. Noch mehr Distanz schaffen in diesen Zeiten der totalen Kommunikation.
Kriegsankündigung per Twitter?
Der Weltmeister in dieser Form des Nicht-Kommunizierens: Donald Trump, der berühmteste Twitterer der Welt. Politik per Tweet. Irre, oder? In was für Zeiten leben wir? Ja, ich weiß, bin nicht der Erste, der das so sieht. Aber in den letzten Tagen ist das doch wieder so brutal deutlich geworden. Waffengangsankündigung per Tweet. Politik per Tweet.
Kennen Sie dieses Gefühl nicht? Ihnen ist etwas die ganze Zeit klar und bewußt, doch plötzlich passiert etwas und wirft ein neues Licht auf Altbekanntes und man ist plötzlich total verstört über eine Tatsache, die man ja stets als absurd ansah. Ein wenig so, wie wenn man ein Wort so lange laut wiederholt, bis der Klang dieses vertrauten Wortes plötzlich ganz fremd und neu anmutet: »Butterblume, Butterblume, Butterblume« … Irgendwann sind das nur noch Laute ohne Bedeutung. Und so ähnlich dieses plötzliche Neu-Wahrnehmen eines schon bekannten Irrsinns.
Beziehungsende per WhatsApp. Kriegsankündigung (oder Angriffsankündigung) per Tweet. Der reinste Irrsinn. Im Kleinen. Im Großen. Und wir wissen: Es wird so weitergehen. Im Großen. Im Kleinen. Kommunkation nennt sich das. Au Weia.
Richard C. Schneider, Tel Aviv
Ein Gedanke zu „Kommunikation? Was ist da los?“
Lieber Richard, ich muss protestieren. Definitiv gehört es sich nicht, pet whats app Schluß zu machen. Denn entscheidend ist nicht, wie jemand in unser Leben kommt. Entscheidend ist, wie jemand geht.
Herzlichst Deine Andrea