Mit Freunden wie diesen …

Sie kennen sicher den Spruch:»Mit Freunden wie diesen, braucht man keinen Feind mehr« — und man setzt an Stelle des Wortes »diesen« dann einen Namen oder eine Gruppe.

Nun, die israelische Regierung hat sich — so scheint es — wohl endgültig auf bestimmte Freunde eingelassen, bei denen der obige Spruch langfristig leider wohl stimmen könnte.

 

Die Allianz mit den Evangelikalen

Es ist nichts Neues, daß Premier Netanyahu und die israelische Rechte sehr gute Beziehungen, um nicht zu sagen: beste Beziehungen zu den Evangelikalen in den USA hat. Die Evangelikalen sind treue Wähler Donald Trumps, es gibt ungefähr 50 Millionen Amerikaner, die evangelikalen Kirchen angehören. Sie sind nicht »evangelisch«, wie die Protestanten auf Deutsch auch heißen. Diese Kirchen haben eine andere Theologie. Die Evangelikalen glauben, daß Jesus erst dann wiederkehren wird, wenn alle Juden nach Zion zurückgekehrt sind. Darum unterstützen sie Israel, vor allem Israels Rechte, ohne Wenn und Aber. Sie glauben aber auch, daß dann, wenn alle Juden zurückgekehrt sind nach Zion, daß sie dann zum Christentum konvertieren müssen, damit der Messias wiederkommt.

Im Grunde ist diese Theologie zutiefst antisemitisch. Es ist auch kein Wunder, daß viele evangelikale Priester im selben Atemzug zur Unterstützung Israels aufrufen und gleichzeitig antisemitisches Zeugs sagen können. Für sie ist das kein Widerspruch (und daß die israelische Regierung auch mit den Alt-Rights Kontakt hat, gehört zum Teil des Problems).

Die New York Times hat soeben einen Artikel veröffentlicht, in dem u.a. auf den großen Einfluß der Evangelikalen bei der Entscheidung, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, hingewiesen wird. Sie finden den Artikel am Ende dieses Posts.

 

Paradigmenwechsel — das Ende des Bi-Bartisan Issue

Das Problem ist, daß Netanyahu und die Seinen sich offensichtlich schon seit längerem entschieden haben, einen Paradigmenwechsel zu vollziehen. Man baut nicht mehr auf die amerikanischen Juden – die zu 70% Demokraten wählen und mit der Politik Netanyahus überhaupt nicht einverstanden sind – sondern man zählt auf die Rechte in den USA, zu der auch die Evangelikalen gehören. Das führt aber auch dazu, daß Israel kein Bi-Partisan Issue in den USA mehr sein wird, wie ich das schon früher beschrieben habe. Das heißt, daß Israel bislang für beide Parteien, Demokraten und Republikaner, eine »Herzensangelegenheit« war, daß beide Seiten sich gleichermaßen für Israel einsetzten. Das aber beginnt sich zu ändern.

 

Bibis Parteinahme

Das hat mit Bibis eindeutiger Parteinahme für die Republikaner zu tun, das hat auch damit zu tun, daß die Wählerschaft der Demokraten sich zunehmend aus Minderheiten in den USA zusammensetzt, die als Unterdrückte natürlich auf seiten der Unterdrückten, den Palästinensern, sind. So waren auch keine demokratischen Kongressabgeordneten bei der Eröffnung der Botschaft in Jerusalem dabei.

Was das langfristig für Israel bedeutet, scheint Netanyahu nicht wichtig zu sein. Er denkt — wie soviele Politiker — immer nur in ganz kurzen Phasen und so ist für ihn die aktuelle Lage ideal, er bekommt, was er will (Botschaft in Jerusalem, Aufkündigung des Atom-Abkommens u.a.) — das zählt für ihn. Und dieser Erfolg scheint ihm Recht zu geben.

Für die amerikanischen Juden ist das natürlich ein Problem. Denn sie sind keine großen Freunde der Evangelikalen. Deren antisemitische Ausfälle führen häufig zu massiven Protesten jüdischer Organisationen in den USA. Das Diaspora-Judentum in den USA kommt zunehmend in eine Zwickmühle dank der israelischen Regierung. Die natürliche Verbundenheit mit Israel erodiert bis zu einem gewissen Grad, da man die Werte der aktuellen israelischen Regierung nicht teilt, die Politik kritisiert und gleichzeitig als amerikanische Bürger gegen jede Form von Rassismus kämpft, ja, kämpfen muss.

 

Die Zwickmühle der europäischen Juden

Auch das europäische Judentum beginnt allmählich die Problematik der israelischen Politik zu spüren. Netanyahus Schulterschluß mit den Visegrad-Staaten, deren Führung eindeutig antisemitisch ist oder antisemitische Parteien duldet oder mit ihnen koaliert, ist nicht nur für die Juden in diesen Ländern, allen voran: Ungarn, ein Problem. Zunehmend wissen europäische Juden in anderen Staaten nicht mehr, wie sich zu verhalten. Die Zwickmühle für sie ist noch größer als für US-Juden, die kein Problem haben, sich mit ihrem Staat zu identifizieren. In Europa ist die Lage anders: der wachsende Antisemitismus, die europäisch-jüdische Erfahrung machen Juden überall auf diesem Kontinent unsicher. Für sie ist Israel viel mehr eine Rückversicherung als für die amerikanische Judenheit. Man braucht Israel als sicheren Hafen. Wie kann man dann gegen Israels Politik sprechen, öffentlich sprechen? Noch dazu, wenn man vermeiden will, daß sich Antisemiten und Israelhasser der jüdischen Argumente gegen die israelische Politik bedienen können?

 

Liberale Demokratie vs. Christliche Demokratie

Netanyahus Schulterschluß mit Orbán und anderen hat viel mit deren anti-islamischer Politik zu tun. Aber es geht noch um mehr: Netanyahu glaubt nicht mehr — wenn er überhaupt je daran geglaubt hat — an den liberalen Staat, an eine liberale Demokratie. Er sieht diese Staatsform als verletzlich und schwach und so geht es ihm darum, das Nationale und die eigene Identität zu bewahren. Das aber geht nur, so scheint er zu denken, wenn man den Liberalismus nicht zuläßt, eine Entwicklung, die wir in der gesamten westlichen Welt beobachten können. Und grade erst hat Viktor Orbán von einem Ende der liberalen Demokratie in seinem Lande gesprochen, er wolle jetzt eine christliche Demokratie schaffen. Das diese schon per definitionem etwas Ausschließendes in sich birgt, ist klar. Und es macht den Juden in Ungarn, zum Beispiel, das Leben noch schwerer als es schon ist.

 

Die Antisemiten Europas vereinen die Judenheit

Das Diaspora-Judentum in Europa kann diese Entwicklung nicht gutheißen, sieht sich aber gleichzeitig verbalen und physischen Angriffen von Muslimen und Rechtsextremisten ausgeliefert, so daß die politische Konfrontation mit Israel für die europäischen Juden fast unmöglich erscheint. Wohin das alles führen kann, vermag im Augenblick niemand zu prophezeien.

Daß das Diaspora-Judentum insgesamt ganz offen einen anderen Weg einschlagen könnte als Israel, daß sich also langfristig zwei Judentümer entwickeln könnten, ist nicht abwegig. Allerdings könnte der wachsende Antisemitismus das verhindern. Denn wenn es hart auf hart kommt, müssen Juden irgendwohin fliehen können. Und da wird Israel mit Sicherheit eine große Rolle spielen.

 

Der Artikel aus der New York Times:
Die Allianz mit den Evangelikalen. Artikel der New York Times, Mai 2018

 

Richard C. Schneider, Tel Aviv

Ein Gedanke zu „Mit Freunden wie diesen …

  1. Das Hauptproblem ist doch, dass auf der arabischen Seite in Gaza oder WJ gar niemand wirklich daran interessiert ist, dass Israel fortbesteht. Und viele „linke“ wie rechte Deppen in Europa sind bereit jede Propaganda zu glauben die aus arabischem Mund kommt. Die linken noch mehr als die rechten, denn einige Rechte haben was gegen Juden UND Araber/Muslime.

    Wie kann es auch sein, dass 73 Jahre nach dem Angriffskrieg immer noch „Flüchtlings“camps existieren und die UNWRA offen Propaganda betreibt und NIEMANDEN interessiert das scheinbar. Die Mainstreammedien auf jeden Fall nicht ! Und ARD und ZDF und besonders schlimm den Deutschlandfunk kann man nicht mehr Ernst nehmen…

    Das ganze Negative auf arabisch/ muslimische Seite wird doch grösstenteils ausgeblendet. Dauernd kommen kritische Berichte über Israel, über die Lage in Gaza aufgrund der dortigen Diktatur oder die Probleme im Libanon wegen der Hizbollah hört man nie was.

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