Nein, die Erde bebt nicht. Netanyahu hat gewonnen, viele europäische Kommentatoren haben den Israelis erklärt, was sie bei dieser letzten Wahl alles falsch gemacht haben und wie sie alles viel besser hätten machen können, in dem sie z.B. deren gute Ratschläge angenommen hätten, die natürlich – weitab von der Realität des Nahen Ostens – am besten wissen, was für die Israelis gut oder nicht gut ist.
Nein, die Erde bebt nicht. Selbst in Tel Aviv ist wieder Normalität eingekehrt, das Leben geht weiter, selbst wenn man mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden ist, selbst wenn man befürchtet, daß alles noch schlimmer kommen wird als man es befürchtet.
Aber da gibt es natürlich auch jene, die darauf verweisen, daß sie Bibi – trotz aller Kritik – wiedergewählt haben, weil sie auf „Nummer sicher“ gehen wollten. Wäre ein Premier Gantz, ein totaler Novize in Sachen Politik, in der Lage, mit Putin in Moskau auf Augenhöhe zu dealen? Wäre ein Premier Gantz in der Lage, mit dem sprunghaften Trump vernünftig umzugehen, oder mit der EU klarzukommen? Könnte ein Premier Gantz, der als Manager einer High-Tech-Company sich wahrlich nicht mit Ruhm und Erfolg bekleckert hat, die israelische Wirtschaft am Laufen halten? Und: könnte ein Premier Gantz, immerhin ein ehemaliger Generalstabschef der israelischen Armee, garantieren, daß die nächsten zehn Jahre ebenso ruhig bleiben werden wie die letzten zehn unter Bibi? Denn Ruhe erreicht man nicht nur über militärstrategische Pläne, sondern vor allem über diplomatisches und politisches Kalkül und Geschick? Ja, es waren die ruhigsten zehn Jahre in der Geschichte Israels, in der Bibi Netanyahu nun regiert. Das zählt für viele Israelis mehr als die Korruptionsvorwürfe.
Also was? Hätte Gantz „liefern“ können? Die meisten, selbst diejenigen, die ihn gewählt haben, haben da so ihre Zweifel. Warum dann trotzdem mehr als eine Million Israelis Gantz gewählt haben? Weil sie natürlich einen Wechsel haben wollten, eine Abkehr vom Rechtsruck im Land, ein Ende der Korruption, ein Ende der Fake News, der Schmähungen und Beleidigungen, des Rassismus‘. Wissend, daß man gleichzeitig auf ein unbekanntes Pferd setzt.
Aber nun ist Bibi wiedergewählt. Auch wenn’s dem Rest der Welt vielleicht nicht passt, oder besser: einer bestimmten Gruppe an Kommentatoren nicht passt, die ja besser als die Israelis selbst wissen, was gut für’s Land ist. Und nun muß die Welt, müssen die Israelis damit irgendwie klar kommen. So ist das nun mal.
Die einzigen, die den Preis dafür werden zahlen müssen (wenn’s denn die falsche Wahl und Entscheidung war) sind die Israelis selbst. Und wahrscheinlich auch die Palästinenser. Wobei die mit ihrer eigenen Führung, ihren zwei „Führungen“ genug an eigenen Problemen haben und auch damit leben müssen…
Schade, daß man sich die idealen Politiker nicht backen kann. Das hätte mal was. Aber immerhin – wenige Tage nach der Wahl, kann man zunächst mal sagen: Die Erde bebt nicht. Noch nicht.
Ein Gedanke zu „Die Erde bebt nicht“
Sehr geehrter Herr Schneider,
haben Sie von von deutschen „Journalisten“ etwas anderes erwartet? So ahnungslos und grundsätzlich israelfeindlich, wie in den deutschen Medien berichtet wird. Da wird bedenken- und gedankenlos berichtet, DIE Mauer trenne palästinensisches von israelischem Gebiet. Da wird eine Reportage über eine einwöchige Reise der Regensburger Domspatzen gebracht, obwohl die Autorin nur am letzten Tag der Reise dabei war. Mich wundert nichts mehr.