Sie kennen das Sprichwort: „Mit solchen Freunden braucht man keine Feinde mehr“? So in etwa ist es mir gegangen, als ich gerade einen Facebook-Videoeintrag des österreichischen Präsidenten van der Bellen vom vergangenen Sonntag sah. Dieser ist gerade in Israel und Palästina unterwegs. Was haben wir uns alle – ich inklusive – gefreut als er österreichischer Präsident wurde und den FPÖ-Kandidaten geschlagen hatte!
Nun aber sein Facebook-Eintrag. Van der Bellen steht in Jerusalem vor dem Felsendom und der davorliegenden „Klagemauer“, der Westmauer des einstigen jüdischen Tempels und heute das wichtigste jüdische Heiligtum. Und was macht van der Bellen: Er spricht vom Felsendom und nennt das jüdische Heiligtum eine „Stützmauer“! Er findet den Brauch, da Zettel reinzutun ganz schön. Aber in dem ganzen Beitrag kommt weder das Wort „Jude“ noch „Heiligtum“ noch „jüdisches Heiligtum“ vor. Und natürlich erkärt van der Bellen auch nicht, daß die „Quittlechs“ einstecken, das Einstecken von Wunschzetteln in die „Klagemauer“ ein jüdisches Ritual ist.
Diese Form der Ignoranz kann ich nicht nachvollziehen. Es ist mir ein Rätsel, was Bundespräsident van der Bellen sich dabei gedacht hat. Oder hat er einfach gar nicht nachgedacht? Aber bitte, sehen Sie selbst: hier das Video des österreichischen Präsidenten: https://www.facebook.com/alexandervanderbellen/videos/750154335353161/
4 Gedanken zu „Das wichtigste jüdische Heiligtum – eine „Stützmauer““
Das wichtigste jüdische Heiligtum ist der nicht mehr bzw. noch nicht wieder existierende jüdische Tempel, und das Kotel *ist* eine Stützmauer, an der der Verlust des Tempels beklagt und für seine Wiedererrichtung gebetet wird. Die Klagemauer ist für sich genommen kein Heiligtum, nur in der Projektion dessen, wofür sie steht.
Entsprechend hat der Platz vor dem Kotel den Status einer Synagoge – nicht gleichzusetzen mit der Heiligkeit des Inneren des Tempels.
Stark diesseitig orientierten Menschen mag es zwar zuwiderlaufen, dass ein „wichtigstes Heiligtum“ nur noch in der Abstraktion einer Erinnerung bzw. der Überlieferung existiert und dennoch ist das Ungreifbare „wichtigstes Heiligtum.“
Ich finde nichts Skandalöses an van der Bellens FB-Eintrag.
Es gibt zahlreiche Juden, die der Klagemauer mit Gleichgültigkeit begegnen. Ich denke *niemand* würde Gleichgültigkeit angesichts des greifbar real existierenden jüdischen Tempels oben auf dem Plateau empfinden, und van der Bellen würde in dem Fall auch nicht von einem Nebengebäude des Felsendoms sprechen.
Zu beklagen – aus jüdischer Sicht – sind nicht van der Bellens Worte, sondern der Verlust des jüdischen Tempels, des wichtigsten jüdischen Heiligtums.
Ich finde alles, was Du schreibst, gut. Und ich freue mich, mal wieder Dein Bild zu sehen. Seit wir uns gesehen haben damals in Tittling beim Interview, betrachte ich Dich als „Freund“ Ich hoffe es geht Dir ganz ganz gut.
Apropos jüdischer Tempel. Was mir neulich spontan dazu einfiel: Warum eigentlich erweist sich dieser so große und allmächtige Gott, an den doch letztlich inzwischen so viele Menschen auf der Welt glauben, als so unglaublich unflexibel in Bezug auf seinen jüdischen Tempel? Wohnt er doch bei den Juden, Muslimen und Christen in zahllosen Synagogen, Moscheen und Kirchen. Aber was die Lage seines jüdischen Tempels angeht ist er immer noch so unflexibel, wie seine mesopotamischen Vorläufer. So wohnte etwa der mesopotamische Gott Enlil/Ea/El in Nippur, Innana/Ischtar in Uruk und Enki in Eridu. Gleiches galt für spätere mesopotamische Reiche, wo etwa der babylonische Gott Marduk in Babylon beheimatet war und der assyrische Gott Assur in der Stadt Assur. Doch die Vorstellungswelt hat sich seit den letzten Jahrtausenden doch eigentlich erheblich gewandelt. Warum also kann denn der jüdische Gott nicht auch einfach mal ein bisschen flexibler werden auf einen anderen schönen Berg ziehen? Es gibt doch um Jerusalem herum sicher noch andere Möglichkeiten, einen hübschen Tempel zu bauen. Zumal der Gott ja, will man den Schriften Glauben schenken, ohnehin allgegenwärtig ist. Wie sollte er da Präferenzen haben, welchen Ort er für einen Tempel bevorzugt? Ich denke mir, die Probleme zur Lage des Tempel entspringen wohl eher wieder einmal unflexiblen menschlichen Köpfen.
Mein Kommentar – der noch auf Freischaltung wartet – war nicht provokativ gemeint !
In Ergänzung : Ich habe gesehen, dass diese Frage auch auf facebook aufgeworfen wurde, wo ich nicht kommentieren darf, und da hat der Meister ungläubig auf den Einwurf eines entsprechenden Kommentatoren reagiert und erklärt, die Westmauer sei die «äußere, westlliche Außenmauer des Tempels, » – worauf die Frage folgte, was Herr Schneider « jetzt genau mit Tempel » meine.
Es handelt sich um die westliche Aussenmauer der Tempel-ANLAGE, trifft es wohl am ehesten.
Mein Eindruck ist, dass sich an der Heiligkeit der Mauer bzw. ihrer Bedeutung die Geister zwischen säkularen und religiösen Juden scheiden : Während die Westmauer für säkulare Zionisten vor allem als Politikum « heilig » ist, so dass der eine oder andere in der Altstadt Jerusalems vielleicht lieber einen Kaffee trinken gehen mag als am Kotel beten, so ist sie für religiöse Juden heilig aufgrund der Nähe zum « Allerheiligsten », zum ehemaligen Tempel, und man sagt, dass Gottes Gegenwart heute dort mehr zu finden sei als anderswo – jedoch nicht vergleichbar mit dem Tempel selbst, auf dessen Wiederrichtung man wartet und wofür täglich gebetet wird. Diese religiöse Sichtweise finden säkulare Juden dann wiederum – erneut aus politischen Gründen … – nicht so toll. Da denkt man lieber nur bis zur Mauer als wichtigstem judischem Heiligtum, das genug sein soll – und bitteschön nicht weiter.