Bundesverdienstkreuz für Campino?

Haben Sie das mitbekommen? Der neue Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat angeregt, daß Campino, der Sänger der »Toten Hosen« das Bundesverdienstkreuz bekommen soll für seine deutlichen Worte bei der Echo-Verleihung. Wie bitte? Das Bundesverdienstkreuz für Campinos Protest gegen die antisemitischen Texte der beiden Rapper Kollegah und Farid Bang? Kleiner geht’s nicht mehr?

 

Keine Mißverständnisse: Ich bewundere Campino

Damit es hier keine Mißverständnisse gibt: Ich bewundere Campino, als Sänger und als Mensch, und ich finde es großartig, was er gemacht hat. Er war ja der Einzige, der bei dieser unsäglichen Preisverleihung die Klappe aufgemacht und klipp und klar gesagt hat: Stop! Das geht einfach so nicht! Das ist große Sch…!

Dafür gebührt ihm jede Ehrbezeugung und ich verbeuge mich vor ihm, weil er etwas zeigte, was den anderen Herr- und Damenschaften bei der Preisverleihung anscheinend abging: Zivilcourage.

 

Das Bunderverdienstkreuz: das Nicht-Funktionieren der grundlegenden Reflexe der deutschen Gesellschaft

Felix Klein tut gut und richtig daran, Campino zu loben, zu würdigen. Aber das Bundesverdienstkreuz? Schießt der Antisemitismusbeauftragte da nicht über das Ziel hinaus? Ende April sagte Klein: »Der Fall der beiden Rapper und die darauf folgenden Reaktionen haben gezeigt, dass die grundlegenden Reflexe unserer Gesellschaft funktonieren.«

Herr Klein möge es mir verzeihen, aber ich bin da ganz und gar anderer Meinung. Die Tatsache, daß die zwei Rapper überhaupt den Preis bekommen sollten, daß im Vorfeld die Musikindustrie nicht einmal den Ansatz machte, darüber nachzudenken, ob das eigentlich geht, die Tatsache, daß man mit antisemitischen und anderen rassistischen Texte einfach dicke Kasse macht – das alles zeigt mir, daß die grundlegenden Reflexe der Gesellschaft eben nicht funktionieren.

 

Etwas »ganz Normales«

Und sie funktionierten auch nicht am Abend der Preisverleihung, mit Ausnahme eben bei Campino. Ihm aber jetzt das Bundesverdienstkreuz für etwas geben zu wollen, was doch ein »grundlegender Reflex« einer Gesellschaft sein sollte, ihn dafür mit so einer dicken Nummer auf’s ganz große Podest zu heben, das zeigt mir – ohne daß damit Campinos Handeln in irgendeiner Weise kleingeredet werden soll oder darf –, daß die grundlegenden Reflexe der deutschen Gesellschaft ganz und gar nicht funktionieren, wenn man eigentlich etwas »ganz Normales« macht, nämlich eintreten gegen jede Form von Antisemitismus, Rassismus etc. noch dazu in einer Situation, in der man noch nicht einmal seine eigene Sicherheit oder sein Leben riskierte.

Soll Campino das Bundesverdienstkreuz bekommen – ich werde ihm applaudieren. Doch soll niemand bitte behaupten, daß alles so richtig gut funktioniert in Deutschland. Dem ist nicht so. Juden wissen das. Und andere Minderheiten auch. Die Mehrheitsgesellschaft kann vielleicht einfach mal aufhören, sich selbst in die Tasche zu lügen. Das wäre ein Anfang.

 

Richard C. Schneider, Tel Aviv

2 Gedanken zu „Bundesverdienstkreuz für Campino?

  1. Ich weigere mich anzunehmen, dass an einer Gruppe von Menschen, die sich für Rapper-Darbietungen interessiert, das Funktionieren der grundlegenden Reflexe der Gesellschaft gemessen werden kann.

    Und natürlich wäre es inflationär, für jeden Protest in der richtigen Richtung ein Bundesverdienstkreuz zu verleihen.

    Ich habe an mir selbst erleben müssen, wie sich meine lebenslange tolerante Haltung unter Stress zu meinem Missvergnügen verändert. So muss ich denn zähneknirschend erkennen, dass zuviel unintegrierte Einwanderung die Gesellschaft überfordert und mir die Lust vergeht, gegen all die unsäglichen xenophobischen Vorurteile noch anzugehen, Vorurteile, gegen die es sich trotzdem zu kämpfen lohnen sollte.

    Allerdings sehe ich mich in meiner über ein Jahrzehnt lang von kaum jemandem geteilten Wut gegenüber einem verheerenden führungslosen Zustand bestätigt, wie er unter Merkel zwangsläufig entstanden ist.

  2. Herr Campino, wie er sich nennt und gewiß gern hört, ist einfach nur ein populistisches, egomanes Arschloch, dessen wirklich dummes Grölen in Deutschland (und nur in diesem Land) vor langer Zeit einen betäubten Nerv getroffen hat. Wer bitte möchte diesem Narren ein künstlerisches Talent unterstellen? Und doch hat er ein Talent: Die Gabe und Kraft zur überzeichnenden Selbstdarstellung. Wie es sich für ein populistisches, egomanes Arschloch gehört.

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