Andrea Nahles und die Türkei

Heute morgen las ich auf SPIEGEL Online einen Artikel über Andrea Nahles – Sie wissen schon, das ist die Vorsitzende jener Partei, die sich immer noch „Volkspartei“ nennt, obwohl sie das (leider) längst nicht mehr ist – also Frau Nahles machte einen Vorschlag, der mich aufhorchen lies. Sie möchte, daß Deutschland der Türkei gegen den Verfall der Lira hilft. Und das liest sich dann so:

„Die Türkei ist ein Nato-Partner, der uns nicht egal sein kann. Es ist in unser aller Interesse, dass die Türkei wirtschaftlich stabil bleibt und die Währungsturbulenzen eingedämmt werden“, sagte die Politikerin. Den für September geplanten Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland nannte Nahles richtig. – Aus dem SPIEGEL Online Artikel

Verfall der Wirtschaft und Erdogans Politik

Ok. Soweit so gut. Das klingt ja wirklich vernünftig und überlegt, es ist ein Stück „Realpolitik“ und insofern kann man da doch nichts dagegen haben, mal abgesehen von der Frage, ob und wie sich das realisieren ließe. Aber ist es so einfach?

Es kann einem nicht wirklich egal sein, ob eine so große Volkswirtschaft wie die Türkei den Bach runtergeht. Aber warum taumelt die Wirtschaft in der Türkei denn? Das hat auch etwas mit Donald Trump zu tun, sicher, aber hat das nicht ein ganz klein bißchen, nur so ein bißchen, so ein ganz klein wenig etwas mit der Politik von Herrn Erdogan zu tun? Hat das nicht etwas zu tun mit der Art und Weise, wie er als Autokrat agiert und somit seine eigene Wirtschaft in diesen Schlingerkurs bugsiert hat? Wir reden von dem Mann, der nach dem Putschversuch gegen ihn Zehntausende in die Gefängnisse werfen ließ. Der als NATO-Partner eigentlich keiner mehr wirklich ist, weil er sich zum Teil gegen die NATO-Politik wendet, gegen sie wettert und droht, die NATO zu verlassen.

Der Mann, der Deutschland in Geiselhaft hat

Es ist derselbe Mann, der deutsche Staatsbürger mit fadenscheinigen Gründen einsperrt, der die Demokratie und den Liberalismus im eigenen Land konsequent zerstört. Und dem will Frau Nahles helfen? Ja, das ist der Mann, der Deutschland ein wenig in Geiselhaft hat, da es dieses Abkommen gibt, das die Flüchtlinge (etwa 2 Millionen) in der Türkei beläßt. Daß Erdogan nicht die Grenzen aufmacht und die Flüchtlinge in Richtung Deutschland ziehen läßt (da hätte man „zum Glück“ auch noch die Visegrad-Staaten, die niemanden mehr durchlassen. Sie sind zwar auch nicht mehr so richtig demokratisch, aber in diesem Fall sind sie ein „Segen“, nich wahr, liebe Bundespolitiker?).

Vielleicht muß man der Türkei helfen. Ob das nun unbedingt Deutschland sein muß, kann man anzweifeln, vielleicht muß das die EU insgesamt tun – wobei unklar ist, ob sie das im derzeitigen Zustand sich überhaupt leisten kann. Und ich meine damit nicht finanziell, sondern eher politisch.

„Realpolitik“, Moral und Thousand Shades of Grey

Aber der Vorstoß von Frau Nahles zeigt eines: Menschenrechte sind eine nette, schöne Forderung. Am Ende zwingt einen die „Realpolitik“ möglicherweise einem Mann, der mit Freiheit und echter Demokratie nichts am Hut hat, der gegen einen Teil seiner Bevölkerung mit Gewalt vorgeht, der in Syrien seine Truppen kämpfen läßt, unter die Arme zu greifen

Wenn dem so wäre – ok. Aber bitte, bitte, bitte, liebe Europäer, hört endlich auf von Moral zu faseln, wenn es darum geht, andere zu beurteilen, hört endlich auf, Euch für die besseren Menschen als der Rest der Welt zu halten.  Guckt einfach, was eure Regierungen machen, vielleicht machen „müssen“ – weil eben „Realpolitik“.

Die Welt ist nicht Schwarz/Weiss. Sie hat Thousands Shades of Grey. Wenn all die wohlfeilen Moralapostel das nur ein einziges Mal kapieren würden, wäre das wirklich toll. Schönen Sonntag noch.

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