Sudan jetzt… und bald schon Katar, Saudi, Oman?

Mit der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Sudan werde seine Beziehungen zu Israel normalisieren, setzt sich im Nahen Osten ein Prozess fort, den man getrost einen Paradigmenwechsel nennen kann. Nach den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain ist Sudan das dritte Land der Arabischen Liga, das innerhalb weniger Monate diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen hat. Und vor allem die zu Sudan sind dabei von besonderer symbolischer Bedeutung.

Immerhin haben die VAE und Bahrain mit Israel niemals Krieg geführt. Sudanesische Truppen hingegen kämpften im sogenannten Unabhängigkeitskrieg 1948 gegen Israel. In Khartum, der Hauptstadt des afrikanischen Landes, hatte die Arabische Liga außerdem 1967 ihre Resolution mit den berühmten „drei Neins“ verabschiedet: Nein zum Frieden mit Israel, Nein zur Anerkennung des jüdischen Staates, Nein zu Verhandlungen mit Jerusalem.

 

Pragmatische Interessen

Nun also ein dreifaches Ja. Natürlich stehen dahinter pragmatische wirtschaftliche und politische Interessen der sudanesischen Übergangsregierung. Das Land ist arm und braucht dringend Hilfe. Und Präsident Trump hat, im Gegenzug für die Anerkennung Israels, Sudan von der Liste der Terrorismus unterstützenden Länder gestrichen. Damit werden Sanktionen aufgehoben, das Land erhält sofort Wirtschaftshilfe in dreistelliger Millionenhöhe.

Sudan befindet sich auf einem wackeligen Weg in Richtung Demokratie und braucht die Hilfe der USA. Gleichzeitig gibt es viele Gruppen im Land, die andere Interessen haben und Israel nach wie vor feindlich gesinnt sind. Denn bis zum Sturz von Staatspräsident Umar al-Baschir 2019 war Sudan ein enger Verbündeter Irans. Teheran nutzte das Land, um die radikalislamische Hamas und den Islamischen Jihad aufzurüsten, die gegen Israel kämpfen. Israels Luftwaffe bombardierte daher immer wieder Waffenkonvois in Sudan, die auf dem Weg nach Gaza waren.

Dass sich das islamisch geprägte Land nun auf Israel zubewegt, ist daher ein Paradigmenwechsel für die gesamte Region. In der wachsen seit einigen Jahren zwei neue Blöcke. Da sind zum einen die Türkei, der Iran, Syrien, Katar und die Palästinenser. Sie haben viele gemeinsame Interessen und versuchen, diese diplomatisch und militärisch durchzusetzen. Und da sind zum anderen Saudi-Arabien, die Golfstaaten, Ägypten, Israel und nun auch Sudan.

 

Irans Aufstieg

Diese neuen Freund- und Feindschaften gehen auf die Nahostpolitik des früheren US-Präsidenten Barack Obama zurück. Mittels des von ihm initiierten Nuklearabkommens ermöglichte er Iran ein Comeback in der Region. Eingefrorene iranische Gelder wurden freigegeben, das Raketenprogramm der Ajatollahs nicht unterbunden. Teheran begann seine Machtposition aggressiv auszubauen, ob im Irak oder Syrien, in Jemen oder Libanon.

Schnell begriffen Saudi-Arabien und andere sunnitische Staaten, dass Israel ihr kleineres Problem ist. Jerusalem wurde nun zu einem wichtigen Verbündeten im gemeinsamen Kampf gegen die wachsende Macht Irans.

Bei diesen geostrategischen Machtkämpfen geht es auch immer weniger um die Palästinenser. Ihre Führer sind alt, völlig zerstritten und scheinen die veränderten Zeichen der Zeit nicht zu erkennen. Angesichts dessen stellen sie für Saudi-Arabien und andere alte Gegner im Vergleich zu Iran nur noch ein zu vernachlässigendes Problem dar.

 

Israel als neue Wirtschaftsmacht

Außerdem kann man mit Israel, einem der weltweit wichtigsten Hightechstandorte neben dem Silicon Valley, auch noch Gewinn machen. Das atemberaubende Tempo, in dem die Emirate, Bahrain und Israel nur zwei Monate nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen ihre Zusammenarbeit vorantreiben, zeigt, dass diese neue Konstellation dabei ist, ein mächtiges wirtschaftliches Powerhouse zu werden.

So wurden bereits Verträge für die zivile Luftfahrt zwischen den Ländern geschlossen, Israel erhält von Saudi-Arabien Überflugrechte und auch sonst stillschweigend Unterstützung. Und die Emirate und Israel haben soeben angekündigt, dass eine israelische Ölpipeline in die Emirate verlängert wird, womit der kürzeste und billigste Weg von Öl aus der Golfregion nach Europa entsteht. Die Golfstaaten investieren außerdem in israelische Start-ups, man arbeitet miteinander an der Entwicklung eines Impfstoffes gegen Corona, und im November findet eine von Jerusalem und Abu Dhabi organisierte Fintechkonferenz statt, an der auch amerikanische und chinesische Unternehmen teilnehmen werden.

 

Auch Palästinenser könnten dabei gewinnen

Das sind nur einige Beispiele der neuen Entwicklung. Sie zeigt auch, dass die alten Konzepte, die in europäischen Außenministerien zur Befriedung des Nahen Ostens verfolgt werden, kaum noch von Belang sind.

Natürlich bleiben trotz dieser tektonischen Verschiebungen Fragen offen. Die Palästinenser warten weiter auf einen eigenen Staat und auf das Recht auf Selbstbestimmung. Und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat auch weiterhin keinerlei Ambitionen, eine Zweistaatenlösung zu erreichen. Natürlich protestierten Ramallah und Gaza daher bei jedem neuen Friedensschluss reflexartig, so auch beim dem mit Sudan.

Doch möglicherweise sind die neuen arabisch-israelischen Beziehungen auch für die Palästinenser gar nicht so schlecht. Die Emirate verlangten beispielsweise als Gegenleistung für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel, dass es künftig auf die Annexion des Westjordanlands verzichte. Netanjahu akzeptierte sofort.

 

Sudan jetzt… und bald schon Katar, Saudi, Oman?

Inzwischen gibt es weitere diplomatische Bemühungen. Israel sieht in Katar die Gelegenheit für den nächsten politischen Durchbruch. Bislang gilt Katar als finanzieller Schutzpatron der radikalislamischen Hamas in Gaza. Die USA und Israel versuchen, Katar und seine Nachbarn am Golf miteinander zu versöhnen. Wenn dies gelänge, käme es einer Revolution gleich und würde das Kräfteverhältnis in der Region massiv verändern. Denn Katar hat auch beste Beziehungen zu Iran. Teheran könnte so bald isoliert sein. Und Israel würde in jeder Hinsicht Profit daraus ziehen.

 

Richard C. Schneider, Tel Aviv

3 Gedanken zu „Sudan jetzt… und bald schon Katar, Saudi, Oman?

  1. Ja, sieht ja auf den ersten Blick alles gut aus. Wenn da nicht die Waffendeals etwa mit den UAE wären. Nicht, dass die Region dann, statt friedlich mit einander Handel zu treiben und endlich mal zusammen zu arbeiten plötzlich zu einer Region des militärischen Wettrüstens wird. Das wäre ja nun wirklich das Letzte, was der Nahe Osten jetzt noch braucht:
    https://www.washingtonpost.com/world/middle_east/israel-uae-jets-peace/2020/09/14/ae0950a6-f682-11ea-85f7-5941188a98cd_story.html

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