Die israelische Tageszeitung „Haaretz“ titelte heute einen Kommentar des amerikanisch-jüdischen Autors Samuel G. Freedman, dessen Buch „Jew vs. Jew. The Struggle for the Soul of American Jewry“ vor bald zwanzig Jahren für Furore sorgte, wie folgt: „The Biggest Loser of the US Midterms? Benjamin Netanyahu“.
Das Ende der „bi-partisan issue“
Es ist keine Neuigkeit, daß Netanyahu mit seiner Politik, aber mehr noch mit seiner sehr eindeutigen Bevorzugung der Republikaner – spätestens mit der Parteinahme für den damaligen Präsidentenkandidaten Mitt Romney gegen Barak Obama – Israels Standing bei den Demokraten allmählich unterlaufen hat. Jahrzehntelang war Israel eine „bi-partisan issue“, d.h. sowohl Republikaner als auch Demokraten setzten sich für den jüdischen Staat ein.
Das begann sich mit den demographischen Verschiebungen in den USA allmählich zu verändern. Minoritäten wählen in den USA traditionell demokratisch – und sie wachsen zahlenmäßig und werden in nicht allzuferner Zukunft die Mehrheit in Amerika sein. Die Zeit der „weißen Männer“ geht ihrem Ende entgegen.
Die Demokraten – eine Partei der Minderheiten
Tatsächlich sieht man bei den Demokraten viele Schwarze, Hispanics oder Menschen, die sich zur LGBTQ-Gemeinschaft zählen. Und alle diese Menschen sind erst mal grundsätzlich solidarisch mit anderen Minderheiten oder Unterdrückten. In diesem Fall: Die Palästinenser.
Nachdem nun zum ersten Mal in den USA zwei Muslime, genauer: zwei muslimische Frauen, in den Kongress einziehen, sieht man, daß „Minderheiten“ sich allmählich auch ihren politischen Platz in Amerika erobern. Für das Israel des Benjamin Netanyahu heißt das für den Augenblick noch nichts. Die Außenpolitik wird traditionell vom Weissen Haus bestimmt und wenn es um Fragen der Verteidigung oder der Rüstungsunterstützung für Israel geht, so werden wohl auch die Demokraten, die nun im Repräsentantenhaus die Mehrheit stellen, Israel zunächst wohl weiter zur Seite stehen.
Schon bald ein anderer Wind aus Washington?
Aber politisch dürfte sich das Blatt vielleicht eines Tages doch wenden. Ob nun 2020 oder 2024 ein demokratischer Kandidat an die Macht kommen könnte, ist noch nicht ausgemacht. Aber wenn ja, dann wird sich Netanyahus Israel wohl warm anziehen dürfen, dann wird der Wind von Washington aus Jersalem heftig ins Gesicht blasen. Wenn – ja, wenn Bibi dann noch Premier ist. Oder wenn ein anderer Rechter ihm nachgefolgt sein sollte.
Sicher ist, daß Netanyahu nun, nach dem Wahlerfolg der Demokraten heute, versuchen wird, so schnell wie möglich soviel wie möglich noch zu erreichen. Solange sein Präsident noch ungestört agieren kann. Ob das für Israel auf Dauer die richtige Politik ist, weiß niemand. Nicht einmal Benjamin Netanyahu. Aber daß viele liberale Israelis sich zunehmend Sorgen machen um die Beziehungen mit den USA, ist offensichtlich. Immer wieder erklären Oppositionspolitiker, sie würden – einmal an der Macht – sofort dafür sorgen, daß Israel wieder eine „bi-partisan issue“ in den USA wird. Ihr Problem allerdings: Sie werden einfach nicht gewählt.
Und so gehen die Dinge weiter ihren Gang…