Eskalation der Sprache

Am Tag nach dem großen Auftritt des israelischen Premiers Netanyahu, eskaliert die Sprache. Teheran und Jerusalem übertrumpfen sich in Drohungen, Beschimpfungen und Aggression. Da fällt kaum noch auf, daß Palästinenserpräsident Abbas mal wieder ein wenig Geschichtsklitterung betreibt und behauptet, daß es ein Plan der Europäer gewesen sein, die Juden nach Palästina zu schicken … Aber wer hört ihm noch zu? Nicht einmal mehr sein eigenes Volk.

 

Die Palästinenser als Statisten?

Nein, um die Palästinenser kümmert sich im Augenblick niemand wirklich, sie sind im Moment eher Statisten auf der nahöstlichen Bühne – bis zum nächsten Freitag, wenn es wieder die Demos in Gaza geben wird. Hamas will angeblich am 15 Mai, am »Nakba-Tag« mit einem Massenansturm den Grenzzaun niederreissen lassen. Das wurde an einer Stelle letzten Freitag auch schon versucht, eventuell also jetzt auch wieder am kommenden Freitag und dann wird wieder geschossen und …

 

Wann kommt der Krieg?

Aber bis dahin kann noch viel passieren. Eventuell werden nochmal in Syrien iranische Ziele bombardiert werden, Bombardements, die man, wie auch vorgestern Nacht, den Israelis zuschreibt. Eventuell wird Iran einen Vergeltungsangriff starten, auch wenn niemand daran glauben mag, daß das schon in diesen Tagen geschieht, denn am 6.Mai sind Wahlen in Libanon und die schiitische Hizbollah will da Ruhe haben, um bei den Wahlen nicht Stimmenverluste einzufangen. Und ein Angriff aus Syrien, also ein iranischer oder iranisch gesteuerter, scheint vor dem 12. Mai auch unwahrscheinlich zu sein, da dies der Tag der Entscheidung in Washington ist – steigt Trump aus dem Abkommen mit Teheran aus oder nicht (alle sind überzeugt: er wird aussteigen). Und wenn der Iran jetzt schon Israel angreift, dann ist es sicher, daß Trump aussteigen wird …

 

Tel Aviv feiert. Noch.

Sie sehen: Es ist so ein bißchen Glaskugelgucken … Denn niemand weiß, wann, wie, wo der nächste militärische Schlag geschieht. Gestern Abend auf jeden Fall waren die Lokale in Tel Aviv alle rammelvoll, es ist vorsommerlich heiß, die Menschen sind unterwegs und an Krieg will niemand denken. Aber so ist das eigentlich immer in Tel Aviv. Das letzte Mal, daß die Stadt so richtig lahmgelegt war, war in den Anfängen des Golfkriegs 1991. Aber seitdem? Der letzte Krieg, den ich noch als Korrespondent der ARD hier gecovert habe, der Gaza-Krieg 2014, hatte zwar immer wieder Tel Aviv erreicht, immer wieder gab es Alarm und man mußte in die Schutzräume, um abzuwarten bis Iron Dome die Raketen der Hamas abschoss, aber gleich danach ging man wieder in die Lokale zurück und feierte weiter.

Zu befürchten ist allerdings, daß der nächste Krieg anders ausschauen wird. Wenn die Hizbollah ihre Raketen auf Israel abfeuern wird – und sie hat geschätzt etwa 120 000 – dann wird das Homeland wohl ziemlich massiv in Mitleidenschaft gezogen werden. Und dann wohl eben auch Tel Aviv, das Herz des Landes.

So – und jetzt gucke ich wieder israelische Nachrichten, um die neuesten schrillen Töne »aller Beteiligten« zu hören.

Schönen Abend noch …

 

Richard C. Schneider, Tel Aviv

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