Gestern habe ich in meinem Post so mal schnell noch geschrieben, daß die Drusen das Oberste Gericht wegen des Nationalstaat-Gesetzes anrufen werden.
Am Beispiel der Drusen kann man die Problematik des neuen Gesetzes nochmal gut erkennen. Die Drusen sind loyale Bürger des Staates Israel. Sie dienen in der Armee, viele sind Offiziere. Das neue Gesetz benachteiligt nun auch sie. Ist das in Ordnung? Ganz gewiß nicht. Ich bin sehr gespannt, ob das Oberste Gericht das Gesetz noch kippen wird. Wie gesagt, wenn es nur darum ginge, den jüdischen Nationalstaat als solchen zu definieren – dann ist das längst geschehen, eben bereits 1948.
Inzwischen aber schaue ich mir die Diskussion um Özil in Deutschland aus der Ferne an und denke mir, daß letztlich auch da in der öffentlichen Auseinandersetzung die Frage nach der nationalen Zugehörigkeit die eigentlich unterschwellige Diskussion ist. Als eingebürgerter Deutscher kenne ich auch dieses »Second-Class-Citizen«-Gefühl. Allein, wenn ich auf dem Münchner Kreisverwaltungsreferat bin und man mir erzählt, ich sei doch ein »eingebürgerter Deutscher« und ich daraufhin frage, wozu das denn wichtig sei, und man mir sagt:»Aus statistischen Gründen« – und ich dann frage, was für eine Statistik das dann wohl sei. Eine Unterscheidung – eben doch – von »Bio-Deutschen« und »eingebürgerten Deutschen«? Von »echten« Deutschen und »falschen« Deutschen?
Der Nationalstaat, diese Entwicklung aus dem 19. Jahrhundert, sollte doch irgendwann einmal einem Verfassungspatriotismus weichen. Aber wahrscheinlich geht das gar nicht. Vielleicht sind wir alle zu »tribal« veranlagt und am Ende geht es immer nur darum, ob »Du« zu meinem »Stamm« gehörst oder nicht. Und wenn »Du« nicht zu »mir« gehörtst, dann muß ich dir auf die Rübe hauen. Weil du mein Feind bist?
Willkommen im 21. Jahrhundert …
Richard C. Schneider, Tel Aviv
2 Gedanken zu „Drusen“
Na ja, dieses Stammesdenken ist wohl in Bayern noch besonders ausgeprägt. Das hat man ja vor ein paar Wochen in dem Asylstreit zwischen CDU und CSU wieder deutlich mitbekommen. Dabei wäre es sicher angebrachter, wenn die Politik unsere Werte einer offenen und demokratischen Gesellschaft auch vorleben würde, statt sie mit Füßen zu treten. Denn diese gemeinsam gelebten Werte sind eine notwendige Voraussetzung dafür, dass sich alle Bürger einer modernen, multikulturellen Gesellschaft mit ihrem Staat identifizieren können. Für mich ist jeder ein Deutscher, der sich zu unseren Werten einer offenen und demokratischen Gesellschaft bekennt und die deutsche Staatsbürgerschaft hat.
Und was die Fußballer angeht repräsentieren sie sicher mehr das Denken, was an den deutschen Stammtischen vorherrscht, wo so manch einer eher seinen „Bauch“ zum denken nutzt, als sein Hirn. Das zeigt eben wieder, dass wir noch einen weiten Weg bis zum Homo sapiens vor uns haben. Oder wie Konrad Lorenz es einmal ausdrückte, das missing link zwischen dem Affen und dem Homo sapiens sind wir ..;-)
Noch mal etwas zu den „Bio-Deutschen“. Da bin ich neulich schon einmal drüber gestolpert und habe mir die Haare gerauft. Von der biologischen Abstammung her gesehen lassen sich Nationalstaaten ohnehin nicht begründen. Denn alle Menschen sind genetisch gesehen eng miteinander verwandt. Jeder von uns hat ein Elternpaar, vier Großeltern und so weiter. Über n Generationen sind das 2 hoch n Vorfahren. Ginge man bis zur Zeit Karl des Großen zurück käme jeder auf 1 Mrd. Vorfahren. Das sind mehr Menschen als damals lebten. Deshalb wird der Ahnenstammbaum mit der Zeit immer netzartiger. 2013 konnten die Genetiker Peter Ralph und Graham Coop zeigen, dass demnach alle heute lebenden Europäer die Nachfahren aller zur Zeit Karl des Großen lebenden Individuen sind. Wir sind also alle Nachfahren von Karl dem Großen und seinen weniger bedeutenden Zeitgenossen. Erst wenn man nur 500 Jahre und damit c.a. 17 Generationen zurück geht sind vor allem die Menschen in einer bestimmten Region in Europa enger miteinander verwandt, als mit den Nachbarregionen. Die Vorstellung einer genetisch einheitlichen Nation ist also auch wieder so ein Mythos, den man uns zu verkaufen versucht, der aber aufgrund der vielen Völkerwanderungen und anderer Wanderbewegungen vieler Menschen nicht haltbar ist. Gleiches gilt sicher auch für andere Regionen der Erde, wie etwa Asien.
ttps://www.theguardian.com/science/commentisfree/2015/may/24/business-genetic-ancestry-charlemagne-adam-rutherford
https://www.nature.com/news/most-europeans-share-recent-ancestors-1.12950
http://journals.plos.org/plosbiology/article?id=10.1371/journal.pbio.1001555