Ein Bild mit Seltenheitswert: die drei Schneiders einmal zusammen. Genauer: zwei Schneiders (Uri, rechts, und ich) und Natan Sznaider (polnische Schreibweise, aber auch „Schneider“ ausgesprochen). Alle drei sind wir aus Deutschland, aus Mannheim, München, Köln. Alle drei leben wir in Tel Aviv. Uri ist Filmemacher, Natan ist Professor der Soziologie. Aber das wissen Sie wahrscheinlich, Sie kennen die beiden sicherlich.
Wir sind alte Freunde, kennen uns zum Teil über 20, 30 Jahre. Alle drei sind wir beruflich viel unterwegs, so daß dieses Foto einen wirklich seltenen Moment festhält. Natürlich sprachen wir über die anstehenden Wahlen in Israel. Wie wird es ausgehen? Was wird geschehen? Natan ist sehr optimistisch, daß Benny Gantz gewinnen wird „Mit 35 Mandaten für Blau-Weiss, 27 für Netanyahus Likud“, nennt aber Blau-Weiss, falls das Bündnis gewinnt, eine „mit demokratischen Mitteln an die Macht gekommene Militärjunta“. Neben Benny Gantz sind da ja noch Moshe Ya’alon und Gabi Ashkenazi auf den Plätzen 3 und 4 der Liste, alle drei ehemalige Generalstabschefs.
Uri hat da so seine Zweifel, ich auch, glauben, daß Netanyahu wieder gewinnen wird. Und wie das in Israel so ist, mischten sich in diese Diskussion auch die Barkeeper mit ein, jeder erklärt, warum er wen wie und weshalb wählt. Wahlgeheimnis? In Israel doch nicht. Alle reden offen… In dem Lokal, in dem wir saßen, wird am Dienstag Abend eine große Wahlparty stattfinden. Wird wohl in vielen Kneipen so sein. Egal, wer gewinnt, Party muß sein in Tel Aviv…
Natürlich sprachen wir nicht nur über die Wahlen. Uri erzählte von seinen Dreharbeiten in Kanada, Natan von seinem Gastsemester an den Universitäten Zürich und Basel, ich erzählte von dem neuen Film, den ich derzeit vorbereite. Und natürlich verglichen wir die politische Situation in Israel mit der in Europa, machten traurige Witze über die Briten und dem Endlos-Brexit, naja, worüber man so spricht, wenn man ohne Politik im Grunde nicht leben kann.
In Israel wird dienstags gewählt, dieser Tag wird „Shabbaton“ genannt, weil man, wie am Shabbat, mehrheitlich frei hat. Gegen 22 Uhr Ortszeit wird es dann eine erste Prognose geben. Aber wer dann tatsächlich gewonnen hat und wer eine Koalition wird schmieden können, das könnte eventuell erst in den frühen Morgenstunden klar sein, denn diesmal sieht es so aus, daß sowohl auf der linken wie auf der rechten Seite des politischen Spektrums einige Parteien die 3, 25% Hürde nicht nehmen könnten.
Natan war so wahnsinnig überzeugt, daß Gantz gewinnen wird, daß er mit seinen Optimismus letztendlich alle ansteckte. Sollte er Unrecht haben… dann war’s wenigstens ein lustiger Abend. Wer weiß, wann wir wieder so zusammensitzen können.
2 Gedanken zu „Die drei Schneiders“
Mein Herz schlägt für die Zehnerriege der Avoda. Aber um von Rivlin den Auftrag zur Regierungsbildung zu erhalten, muss Blau-Weiss einen mehr als nur symbolischen Vorsprung vor der Likud ausweisen. Ist dieser große genug, wird Rivlin nicht umhin kommen, Gantz mit der Regierungsbildung auch dann zu beauftragen, wenn Netanyahu zunächst mehr Unterstützer unter den Parteien findet (gibt es eine solche, an sich pragmatische aber undemokratische, Regelung auch in anderen demokratischen Staaten?). Gantz muss dann die Gelegenheit erhalten, es zumindest zu versuchen.
Très sympathique!