Khan al-Amar, so heißt eine kleine Beduinensiedlung mit etwa 12 Familien im Westjordanland, in der Area C, die nun niedergerissen werden soll. Die Menschen sollen in eine nahegelegenen Beduinensiedlung gebracht werden, wo sie sich neu ansäßig machen können. Das Oberste Gericht hat nach einer extrem langen Verhandlungsphase entschieden, daß dieser Schritt Israels rechtlich zulässig ist.
Europäischer Protest – nutzlos
Die EU sieht das anders. Viele Vertreter europäischer Staaten sind heute nach Khan al-Amar gegangen, um zu sehen, wie es dort zugeht und gleichzeitig auch Präsenz zu zeigen, um gegen die Entscheidung Israels zu protestieren. Europäische Staaten, allen voran Großbritannien und Frankreich, haben offiziell protestiert, Israel würde mit solch einem Schritt die Zwei-Staaten-Lösung weiter gefährden.
Inzwischen ist das Gebiet abgeriegelt worden, die Evakuierung wird ganz bald stattfinden. Der internationale Aufschrei ist groß und auch in Israel sieht man die Pläne als Vorbereitung, die nahegelegenen Siedlung Kfar Adumim demnächst auszuweiten.
Die immerselben Patterns
Seitdem ich als Journalist den palästinensisch-israelischen Konflikt begleite – und das tue ich seit über 30 Jahren – sehe ich immer wieder dieselben Patterns. Israel entscheidet etwas, die Welt protestiert mehr oder weniger heftig, die Palästinenser protestieren, demonstrieren, werden gewalttätig. Und irgendwann ist dann alles vorbei. Die Israelis schaffen Fakten und das war’s. Am deutlichsten kann man das am Beispiel der Siedlung »Har Homa« im Osten Jerusalems sehen. Auf dem Weg nach Bethlehem. Als Israel dort Ende der 90er Jahre den Grundstein für den Bau einer Siedlung, bzw. neuen Stadtteils von Jerusalem legte, war der Protest immens. Mit Har Homa würde der traditionsreiche Weg zwischen Bethlehem und Jerusalem, auf dem schon Jesus Christus gewandelt sei, endgültig unterbrochen und blockiert, hieß es damals. Die Proteste dauerten Wochen an. Auch die USA protestierten, stoppten aber Resolutionen der UN gegen Israel. 2010 protestierten die USA gegen den Bau von 1300 neuen Wohnungseinheiten dort. Und? Was hat’s gebracht? Har Homa existiert, man hat sich an die Realität »gewöhnt«…
Totaler Boykott? Unmöglich
Empörte Europäer werden nun einwerfen, daß man eben doch nur über einen Totalboykott Israels weiterkommen werde. Doch die Zeiten haben sich geändert. Ein Boykott wie gegen Südafrika bringt heute nichts mehr. Avocados, Orangen und Wein aus Israel zu boykottieren ist eher ein hilfloses Aufbäumen gegen etwas, was man nicht aufhalten kann. Denn Israels »Exportschlager« befinden sich in Ihrem Computer, Ihrem Ipad, ihrem Iphone. Sie wollen Israel boykottieren? Schmeißen Sie bitte sofort ihre gesamte Technologie weg. Und dann bitte auch noch alle israelischen Erfindungen im Bereich Gentechnologie, Biotech, Medizin, Cybersecurity usw. Sie sehen — Boykott geht nicht mehr wie früher.
Und: Sie werden auch keine staatlichen Mehrheiten für einen Boykott bekommen. Trumps Amerika macht sicher nicht mit, aber inzwischen werden auch immer mehr europäische Staaten nicht einsehen, warum sie sich gegen Israel stellen sollen. Die Visegrad machen nicht mit, die Griechen auch nicht, Italien inzwischen auch nicht, Österreich ganz gewiß nicht. Und so geht es weiter. Also: in Brüssel bekäme man keinen Boykottbeschluß auf Staatsebene durch. Er wäre auch verlogen. Denn andere Staaten begehen noch viel schlimmere Verbrechen – und man ist eifrig bemüht mit diesen Staaten beste Wirtschaftsbeziehungen zu haben oder aufzubauen (Stichwort: Iran, Saudi-Arabien, um in der Region zu bleiben).
Was kann man tun?
Was also kann man tun? Von außen, denke ich, nicht allzuviel in diesen politisch so unruhigen Zeiten in der westlichen Welt. Jeder hat mit sich selbst zu tun, inzwischen ist auch Deutschland politisch ordentlich durchgeschüttelt worden, die westliche Krise macht auch vor Berlin nicht mehr halt und niemand weiß, wie lange man noch »Stabilität« vorgaukeln kann. Die Briten mit ihrem Brexit haben massive Probleme vor sich, die Franzosen allein können auch nicht viel machen, und auch ihre Möglichkeiten sind begrenzt.
Und: jeder der momentan Protestierenden weiß, daß es auf der palästinensische Seite derzeit keine Führung gibt, mit der Israel – falls es denn wollte – verhandeln könnte. Die Zeiten sind schlecht. Und sie werden noch schlechter. Für die Palästinenser allemal.
Der Frosch und der Skorpion
Bleibt die israelische Bevölkerung. Sie müßte diese Politik abwählen. Doch auch das ist nicht zu erwarten. Israelis trauen in diesen unruhigen Zeiten in Nahost nur der Rechten zu, für Sicherheit zu sorgen. Netanyahu hat sich als »Mr. Security« gebrandet und er hat — das muß man ihm bislang lassen — beispielsweise in Syrien seit dem Bürgerkrieg dort eine für Israel kluge Sicherheitspolitik betrieben.
Aber irgendwann wird auch ein Netanyahu die politische Bühne verlassen. Entweder wird er doch noch wegen Korruption angeklagt und verurteilt oder er wird einfach aus Altersgründen gehen oder – er macht politische Fehler, die der Wähler ihm nicht verzeihen wird.
Und dann muß man hoffen, daß ein heute noch Unbekannter aufsteht und Israels Politik auf neue Beine stellt. Doch selbst wenn es einen solchen »Heilsbringer« eines Tages geben sollte – dann muß man immer auch hoffen, daß die palästinensische Seite klug genug sein wird, dies zu erkennen und entsprechend zu reagieren..
Und schon befinde ich mich im Raum der Utopien für den Nahen Osten. Sie kennen den Witz vom Frosch und dem Skorpion? Ich habe ihn schon mal erzählt, spare mir das also hier. Aber dieser Witz fällt mir immer ein, wenn ich von einem friedlichen Nahen Osten träume….
Bis morgen also….
Und für diejenigen, die den Witz doch noch nicht kennen über den Nahen Osten:
Ein Frosch steht am Ufer eines Flusses und will rüberschwimmen. Da kommt ein Skorpion und bittet ihn, ihn mitzunehmen auf seinem Rücken. Er, der Skorpion, könne ja nicht schwimmen, also bräuchte er die Hilfe des Frosches. Der schaut den Skorpion an und lehnt ab:»Denn Du wirst mich dann stechen und dann sterbe ich!« Doch der Skorpion versucht an die Vernunft des Frosches zu appellieren:»Hey, wenn ich dich im Fluß stechen würde, dann gehst du doch unter und ich mit dir und bin dann auch tot. Das wäre doch bescheuert von mir!«
Der Frosch überlegt, sieht das natürlich ein und nimmt den Skorpion auf seinen Rücken. Er geht ins Wasser und schwimmt los. Als er in der Mitte des Flusses angekommen ist, sticht ihn plötzlich der Skorpion und der Frosch, schon im Todeskampf schreit auf:»Aber warum hast du das denn jetzt doch gemacht?« »Ich kann nicht anders!«, ruft der Skorpion, »it’s the Middle East!«
Richard C. Schneider, Tel Aviv
Ein Gedanke zu „Beduinensiedlung“
Arme Beduinen die von ihren Schuppen vertrieben werden damit eine nahegelegene Siedlung erweitert werden kann. Ganz so simpel ist es nicht.
Ich hatte Gelegenheit mich mit einer der Gründermütter von Maale Adummim zu unterhalten. Sie hat mit erzählt das die Jahalin Beduinen um die es hier geht, früher unten in der Jordansenke lebten und nur im Winter ihre Herden in diese Gegend hochtrieben. Was hat sich seither geändert das ihr Leben in dieser Gegend ermöglicht? Es ist die Wasserleitung die Anfang der 80ger gelegt wurde um Maale und Kfar Adummim mit Wasser zu versorgen.
Khan al Ahmar liegt nicht irgendwo mitten in der judäischen Wüste sondern, wie noch einige andere Beduinencamps, direkt an einer Schnellstrasse. Den jüdischen Anwohnern und „Regavim“ zufolge vergeht kein Monat ohne Steinwürfe. Aber das scheint mir nicht das wesentliche.
Die Strasse (1) ist eine für Israel strategisch wichtige West – Ost Verbindung von Tel Aviv über Jerusalem bis runter zur Jordansenke. Ausserdem liegt das Camp am Ostzipfel des einst berühmt berüchtigten E1, der geplanten Erweiterung von Maale Adummim mit 3500 Wohneinheiten die nach dem Aufschrei der Palästinenser dies würde Samaria von Judäa abtrennen von den Amerikanern gestoppt wurde.
Schaut man auf die Landkarte so sieht man das dieser Einwand in dem chaotischen Geflecht arabischer und jüdischer Ortschaften im Jerusalemer Osten unbegründet war. Ausserdem wurde von israelischer Seite eine Strasse die Ramallah mit Betlehem verbinden sollte exklusiv für Palästinenser trassiert.
Der rechten NGO „Regavim“ zufolge, versucht die PA mithilfe der Beduinen (übrigens mit 5% jährlich die Weltmeister im natürlichen Wachstum) die arabische Präsenz vor Ort zu stärken.
Hinter dem geplanten Abriss des Camps sehe ich ein Ringen, direkt an der Kreuzung von zwei Interessensachsen: die Israelische Ost – West und die Palästinensische Nord – Süd.