Möglicherweise verdankt Benjamin Netanyahu, den viele schon seit Jahren totsagen (politisch zumindest), eine erneute Auferstehung seinem politischen Gegner Benny Gantz. Blau-Weiss, die Partei des Herausforderers, hat sich in diesem Wahlkampf, dem dritten innerhalb eines Jahres, entschieden, die „anständige Rechte“ zu sich zu holen. Also sind Gantz’ Reden gespickt mit rechten Slogans, um denjenigen, die den wegen Korruption angeklagten Netanyahu satt haben, eine „Alternative“ anzubieten. Er ist für den „Friedensplan“ von Trump, er will die Annexion durchsetzen (wenngleich nur in Übereinstimmung mit den Palästinensern und den arabischen Nachbarn – also gar nicht), er will auf keinen Fall mit den israelischen Arabern der „Joint List“-Partei koalieren.
Welche Alternative?
Er sagt also mehr oder weniger dieselben oder ähnliche Dinge wie Netanyahu. Die Folge: Warum soll man die Kopie wählen, wenn man das „Original“ haben kann? Welche „Alternative“ bietet er denn diesmal wirklich an, außer der, daß man Bibi los wäre? Und warum sollen liberale oder linke Israelis – wie bei den letzten beiden Malen – ihn noch wählen, wenn er sich jetzt soweit nach rechts bewegt, verbal zumindest? Viele „Experten“ sind überzeugt, daß er im Falle eines Wahlsieges, viel weiter links Politik machen wird als er jetzt daherredet, aber weiß man’s?
Starke Joint List?
Was nun geschehen könnte: Daß die israelischen Araber, die im sogenannten „Dreieck“ im Norden Israels möglicherweise ihre Staatsbürgerschaft verlieren könnten, wenn es nach dem „Friedensplan“ ginge, weil sie dem Staat Palästina zugeschlagen werden sollen, daß sie also in noch größeren Zahlen zur Wahl gehen werden und der Joint List nicht nur 13, sondern eventuell sogar 16 oder gar 17 Mandate erhalten könnte. Damit dürfte Bibi dann allerdings endgültig aus dem Rennen sein. Aber Benny Gantz? Er würde im Augenblick die Unterstützung der arabischen Israelis nicht bekommen (beim letzten Mal schon noch), selbst wenn er versichert, daß ein Bevölkerungstransfer im Meshulash (Dreieck) mit ihm nicht kommen werde, auf keinen Fall.
Patt = Premier Bibi
Alles wird also wieder von Lieberman abhängen. Und von Bibi. Denn sollten sich gleichzeitig zum Wahlverhalten der israelischen Araber die moderaten jüdischen Israelis von Gantz abwenden und die Koalition von Meretz und Avoda und Orly Levi-Cassis wählen, dann könnte Bibi, sprich: der Likud, doch noch stärkste Fraktion werden. Bibi würde dann wieder als erster versuchen dürfen, eine Koalition zu bilden. Und man wäre wieder genau dort, wo man seit einem Jahr steckt: im Patt. Dann käme die vierte und fünfte Wahl oder was? Und Bibi bliebe weiterhin Premier… immer noch ein bißchen länger.
Absurdes politisches Theater. Aber das herrscht in diesen Tagen ja wahrlich nicht nur in Jerusalem.