Also Neuwahlen

Daß Verteidigungsminister Lieberman als Verteidigungsminister das Handtuch geschmissen hat, ist kein Verlust. Der Hardliner, der vom Militärischen keine Ahnung hat, hat allerdings – Sie haben es sicher mitbekommen – eine Regierungskrise ausgelöst. Sehr wahrscheinlich wird es also zu schnellen Neuwahlen kommen, die sowieso spätestens im November 2019 hätten stattfinden müssen. Jetzt also voraussichtlich schon im Frühjahr.

Also Neuwahlen

Daß die Lage für Netanyahu nicht gut aussieht, weil im Augenblick die Mehrheit der Israelis als „schwach“ empfindet, weil er gegenüber der Hamas „klein beigegeben hat“, ist für ihn nicht gut. Aber es dürfte ihm wohl gelingen, seinen Wählern klar zu machen, daß die Lage im Norden wesentlich brisanter ist, vor allem, seit Putin der israelischen Luftwaffen nicht mehr „freie Bahn“ gegen den Iran und der Hizbollah gewährt.

Nun haben sich heute Bennett und Netanyahu getroffen, Bennett wollte unbedingt das Amt des Verteidigungsministers erhalten. Das scheiterte und so wird es nun vorgezogene Neuwahlen geben, wahrscheinlich noch vor Pessach, also, ich denke mal, im März.

Die Opposition heißt: Bibi Netanyahu

Was an den Ereignissen der letzten Tage so erschreckend war: daß selbst die sogenannte „Opposition“ in das Kriegsgeschrei mit eingestimmt hat. Ob Bennett und Lieberman auf der äußersten Rechten, oder ob Zipi Livni, Yair Lapid und Avi Gabbay – sie alle hatten dieselben kriegslüsternen Slogans auf den Lippen. Es gibt also keine Opposition in Israel. Die Opposition zu den Militaristen war – wieder einmal: Bibi Netanyahu.

Wenn Sie meine Blogs verfolgen, dann wissen Sie, daß ich ein Kritiker der Politik Netanyahus bin. Aber – ich habe auch immer und immer wieder erklärt, daß er – anders als sein Bild in Europa – kein Kriegstreiber ist. Er hat Angst vor Krieg und er weiß – dazu ist er einfach zu klug –, daß ein neuer Waffengang mit der Hamas nichts gebracht hätte. Nur noch mehr Tote auf der palästinensischen Seite, aber wahrscheinlich auch Dutzende oder Hunderte Tote auf israelischer Seite. Und das wäre für ihn bei Neuwahlen ganz und gar nicht gut gewesen.

Waffenstillstand wegen der Gefahr im Norden?

Netanyahu hat nun in der Öffentlichkeit mehrfach betont, daß es viele Dinge gibt, die geheim sind und die nicht genannt werden können als Gründe für sein Einverständnis zum erneuten Waffenstillstand. Und es scheint fast sicher, daß er die Lage im Norden als äußerst problematisch einschätzt und auch die Armee sich lieber darauf als auf irgendein sinnloses Gemetzel in Gaza konzentrieren will.

Wie werden diese Wahlen ausgehen? Man muß fast hoffen, daß Netanyahu an der Macht bleibt angesichts der existenziellen Probleme, denen sich Israel gegenübersieht. Man mag Netanyahu mögen oder nicht, seine mangelnde Bereitschaft, eine Zwei-Staaten-Lösung zu verfolgen kritisieren (wobei die palästinensische Seite nun auch nicht sehr „willig“ ist), man kann ihn vor allem für seine katastrophale Sozialpolitik angreifen und – mehr noch – für das Zulassen von „illiberalen Zuständen“, die von seinen Koalitionspartnern mit immer neuen Gesetzesvorlagen vorangebracht wird. Aber – noch einmal – er ist kein Mann des Krieges.

Welche Alternativen gibt es?

Und wer wäre denn an seiner statt eine echte Alternative in diesen Zeiten? Ganz rechts mit Naftali Bennett und einem militärisch völlig unerfahrenen Avigdor Lieberman ist niemand da, der Bibi ersetzen könnte. Und auf der sogenannten „Linken“ oder „Mitte“? Sowohl Avi Gabbay for der „Zionist Union“ als auch Yair Lapid von „Yesh Atid“ haben keine militärische Erfahrung, die ausreichen würde, die Bedrohungslage jeweils einzuschätzen. Bibi hat sie übrigens…

Kommt Benny Gantz?

Sie müßten also Militärs an ihrer Seite haben, die das übernehmen könnten. Und da fallen zwei Namen, immer und immer wieder: Benny Gantz, der ehemalige Generalstabschef will voraussichtlich in die Politik gehen und nach Umfragen hätte er mit einer eigenen Liste, zu der möglicherweise auch der ehemaligen Generalstabschef und Verteidigungsminister Moshe „Bogie“ Ya’alon gehört, 15 Mandate in der Knesset. Aber noch weiß man nicht, wohin sich Gantz wenden wird, ob er nach Links geht oder nach Rechts, ob er tatsächlich mit einer eigenen Gruppe antritt.

Die Imponderabilie: Ehud Barak

Und da ist da noch Ehud Barak, der frühere Premierminister, Verteidigungsminister, Generalstabschef und der am höchsten dekorierte Soldat der israelischen Armee. Barak ist nun weit in der 70ern, aber er ist von allen „linken“ Kandidaten derjenige mit der höchsten Gravitas und Erfahrung. Und: er kennt Bibi in- und auswendig. Er war schon in jungen Jahren dessen Vorgesetzter in der Eliteeinheit „Sayeret Matkal“, war jahrelang Bibis Verteidigungsminister, die beiden waren politische Gegner und dennoch auch Partner. In den letzten Jahren hat Barak allerdings immer aggressiver gegen Bibi geschossen, weil er ihm unterstellt, er unterwandere die liberale Demokratie des Staates – was ja nicht ganz falsch ist.

Auch wenn Barak ständig erklärt, er würde nicht in die Politik zurückkehren, so glaubt ihm das keiner so richtig. Wenn er in den Wahlkampf einsteigen würde, wäre er für Netanyahu eine echte politische Herausforderung. Und: Bibi, so heißt es, hat hohen Respekt und Angst vor Barak.

Ach ja, da war noch was:

Die nächsten Wochen werden spannend, soviel ist sicher. Und dann ist da ja noch etwas: Die Frage, ob der Generalstaatsanwalt Mandelblit Premier Netanyahu wegen Korruption anklagen wird. Doch daran glaubt in Israel so gut wie niemand mehr. Doch sollte das geschehen, dann wäre alles noch einmal ganz anders…

 

Ein Gedanke zu „Also Neuwahlen

  1. Hier noch eine Theorie, warum zur Zeit sowohl Links- als auch Rechtspopulisten Aufwind haben: Laut dem Ökonomen Dani Rodrik von der Harvard Universität sind Nationalstaatliche Souveränität, Demokratie und freier Handel nicht miteinander vereinbar, wie er in seinem Buch Das Globalisierungs-Paradox beschreibt. Seiner Meinung nach befinden wir uns in einem sogenannten Trilemma, wie es als erster Epikur formuliert hat: Ist Gott willens, aber nicht fähig, Böses zu verhindern, ist er nicht allmächtig. Ist er fähig, aber nicht willens, Böses zu verhindern, ist er nicht gut. Und ist er willens und fähig, Böses zu verhindern, warum gibt es dann das Böse? Dani Rodrik spricht sich für eine Einschränkung des Freihandels zu Gunsten der Demokratie aus, da er die Demokratie für wertvoller hält, als den Freihandel. Eine Weltregierung hält er in absehbarer Zeit nicht für realisierbar.
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/europaeische-union-warum-links-und-rechtspopulisten-aufwind-haben/23595138.html
    https://de.wikipedia.org/wiki/Dani_Rodrik

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