Rammstein

Wie so häufig, ist die Diskussion um ein problematisches Thema fast noch widerlicher als das Thema selbst. Was man über das neue Rammstein-Video »Deutschland« in den Social Media zu lesen bekommt, ist gruselig bis entsetzlich.

Ja, die Band „Rammstein“ hat mit einem kurzen Ausschnitt aus dem Video, in dem man die Bandmitglieder als KZ-Insassen zeigt, für Erregung und Aufmerksamkeit sorgen wollen. Der kurze Ausschnitt war als Ankündigung für den neuen Titel, das neue Video gedacht – und der Skandal mit Sicherheit berechnet. Und was dazu von „normalen“ Menschen zu lesen ist, verschlägt einem schon die Sprache. Aber wir kennen das aus vielen anderen Online – „Diskussionen“, das ist nicht neu.

 

Die »Mahner« und der PR-Trick

Doch was selbst ein Autor eines namhaften Wochenmagazins über die „Mahner“ schreibt, ist aus meiner Sicht zumindest problematisch:

„So erzeugt man auch einen Skandal, noch bevor das Video selbst zu sehen ist. Anhand der 35 Sekunden kritisierte Zentralratspräsident Josef Schuster, der Holocaust werde zu „Marketingzwecken missbraucht“. Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, vermutete eine Skandalisierung zu Verkaufszwecken und damit das Überschreiten „roter Linien“. Wen man eben schnell mal fragt und was derjenige dann eben so sagt, wenn das Mahnen und Warnen ohnehin zu seinen Aufgaben gehört.“

Da wird das Mahnen und Warnen eben mal so abgetan, so als lästiges Verhalten, das geradezu reflexhaft und vor allem: nervig sei. So zumindest verstehe ich den letzten Satz. Dieser Ton ist zwar nicht wirklich neu (man hatte vor 40, 50 Jahren bereits die ewigen Mahnungen eines Heinz Galinski rasch satt), aber dennoch, gerade angesichts des wachsenden Antisemitismus in Deutschland, sollte man viel vorsichtiger formulieren.

Was nicht heißt, daß Felix Klein und Josef Schuster möglicherweise tatsächlich auf den PR-Trick von Rammstein „reingefallen“ sind, sich haben verführen lassen, über das Stöckchen zu springen und somit zum Teil der PR-Kampagne wurden. Unfreiwillig, natürlich. Nur: ist der Vorwurf, daß es ungehörig ist, das Leid von KZ-Opfern zu Werbezwecken zu mißbrauchen, deswegen falsch?

 

Eine schwarze »Germania« – von Rechtsnationalen geliebt oder gehasst?

Wer sich das Video ansieht bekommt „Deutschland“ pur: Alles, was die teutonische Geschichte so zu bieten hat, wird hier überhöht, drastisch, radikal, brutal in einem furiosen Bilderwahn vorgestellt. Und zur deutschen Geschichte gehört nun mal auch der Holocaust und die Konzentrationslager, keine Frage. Der Text des Songs scheint klar zu machen, daß Rammstein alles andere als einem rechtsnationalen Fanatismus verfallen sei: „Deutschland, mein Herz in Flammen, will dich lieben und verdammen“ und: „Übermächtig, überflüssig, Übermenschen überdrüssig“.

Und ja, die durchgehende Figur ist eine schwarze Frau, eine Königin, die offensichtlich die „Germania“ darstellen soll. Allein, daß die Schauspielerin schwarz ist, dürfte den Rechtsnationalen, die dieses Video und diesen Song sehen und hören werden, nicht gefallen.

Aber kann man sich dessen sicher sein? Waren es nicht die Rechtsnationalen, die sich plötzlich empörten als ein dunkelhäutiger Deutscher von „arabischen Flüchtlingen“, die der Tat verdächtigt wurden, in Chemnitz ermordet wurde? Als man in seinem Hass und seiner Verachtung Graduierungen der Ablehnung zeigte: Schwarz ist mies, aber immer noch besser ein Schwarzer mit deutschem Pass als ein „arabischer Flüchtling“? Was für eine entsetzliche „Logik“!

 

Geht etwas schief?

Ich bin mir nicht sicher, ob wir nicht bald Szenen erleben werden, wo Hunderte, vielleicht Tausende dieses Rammstein’sche „Deutschland“ grölen werden. Auf Konzerten oder sonstwo. Und sie dann etwas ganz anderes meinen, als Rammstein dies wohl möchte? Eventuell noch mit erhobenen Händen? Wenn das geschieht, dann ist so ziemlich alles schief gegangen, was schief gehen könnte.

Und ob man KZ-Opfer so zeigen darf? Ich habe tatsächlich ein Problem, dieses „Sujet“ für die Vermarktung eines Videos zu verwenden. Ich halte das für falsch, vor allem aber für gefährlich. Auch im Gesamtvideo gefällt mir die Art der Präsentation der KZ-Häftlinge nicht.

 

Referenz auf unsere Zeit

Die Frage, ob man so ein Video in dieser Zeit produzieren darf, ist aber möglicherweise falsch. Dieses Video ist ein Kind unserer Zeit. Es ist möglich geworden, so ein Video zu machen. Die Ästhetik, die Thematik, der Fall von Schamgrenzen (richtigen und falschen!) – all das ist, was wir 2019 erleben. Das Rammstein-Video, das „Deutschland“ thematisiert,  ist selbst Teil des heutigen Deutschland. Das Video selbst ist eine Referenz auf das, was in Deutschland so „gärt“. Und das ist schlicht: beängstigend.

 

Richard C. Schneider, Tel Aviv

3 Gedanken zu „Rammstein

  1. Durch die medienweite Kritik hatte ich bei dem Video etwas wesentlich schlimmeres erwartet. Es ist definitiv nicht mein Geschmack. Aber mein erster Eindruck ist, dass die Band ja gerade den neu aufkommenden Nationalismus kritisiert und ins Lächerliche zieht. Dabei reduzieren sie die deutsche Geschichte bewusst auf die wenigen Inhalte, mit denen sich die neue Rechte identifiziert und lassen das ganze Nationalgedusel so richtig eckelhaft rüberkommen. Meines Erachtens ist das genau die Absicht des Videos. Ob nun die Sequenzen mit den KZ-Häftlingen gelungen sind, darüber lässt sich sicher streiten. Aber irgendwie gehört diese Thema natürlich zu der Kernaussage des Videos. Wie hätten sie es besser machen sollen? Das Thema weg zu lassen ging jedenfalls nicht. Schließlich ist es ein wesentlicher Punkt der jüngsten deutschen Geschichte, der eben das stolz sein auf Germania verbietet. Sicher wird sie auch als schwarze Königin dargestellt, weil sie barbarische Züge hat. Ist das politisch korrekt? Bei Kunst ist so was schwer zu reglementieren. Denn die Kunst soll ja bekanntlich frei sein…

  2. Zum wiederholten Male stelle ich mir bei Ihnen die Frage: kann man das auch anders sehen? Ich meine: ja! Sie haben recht, manches gärt in Deutschland. Und ja, manches davon ist besorgniserregend. Richtig ist aber auch: Vieles was uns sorgt, wird immer häufiger offen angesprochen und kann daher auch thematisiert, bewertet und bekämpft werden. Dies war im Nachkriegsdeutschland lange nicht der Fall (ich empfehle das Buch von Willi Winkler, Das Braune Netz, Rowohlt, 2019). Auch bin ich mir nicht sicher, ob der Antisemitismus wirklich wächst oder nur offener seine häßliche Fratze zeigt. Vielleicht kommt es aber jemandem so vor, der einen Jeremy Corbyn als Antisemiten bezeichnet (diese Polemik sehen Sie mir bitte als bekennendem Linken nach). Yoari Feinberg, Restaurantbesitzer aus Berlin, hat mir persönlich geschrieben, nachdem ich mich für eine antisemitische Attacke auf ihn per mail im Namen Vieler entschuldigt habe, dass er viele positive Reaktionen von Deutschen bekommen habe und er nun die Situation in Deutschland positiver einschätzt, als vor dem Vorfall! Natürlich gibt es viel zu tun: in Deutschland, in Europa und auch in Israel. Ich erinnere noch einmal an Viktor Frankl, der schrieb, dass es nur zwei menschliche Rassen gebe: die der Anständigen und die der Unanständigen. Das Schöne hierbei ist, dass wir die Wahl haben, zu welcher Rasse wir gehören möchten!

  3. Zum Thema, wie manche Leute zu Extremisten werden, habe ich neulich einen interessanten Beitrag in Deutschlandfunk Kultur gehört. Dort hat der Extremismus-Experte Thomas Mücke berichtet, dass viele junge Menschen, die sich radikalisieren, vorher eine schwere emotionale Krise durchlitten haben, wie etwa den Tod eines nahen Angehörigen. Die entsprechende extremistische Szene wendet sich dann oft gezielt an diese, gerade etwas labilen jungen Menschen und bietet ihnen Halt und ein neues Zugehörigkeitsgefühl. So können ursprünglich ganz normale Leuten plötzlich zunehmend radikaler werden: Niemand wird aufgegeben: https://www.deutschlandfunkkultur.de/extremismus-experte-thomas-muecke-niemand-wird-aufgegeben.970.de.html?dram:article_id=443512

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