Italien, der Euro und der Nahe Osten

SPIEGEL ONLINE titelt heute die Topstory mit:»Zukunft der EU. Italien ist die Sollbruchstelle des Euro«. Nun, ich bin mir nicht sicher, ob Italien das ist – denn eine Sollbruchstelle ist ja eine Stelle, die man bewußt »eingebaut« hat, damit – wenn etwas kaputt geht oder gehen soll – das dann genau da bricht, wo man es haben will.

 

Sollbruchstelle Italien?

Ich glaube nicht, daß die EU will, daß Italien »bricht«. Doch was durchaus möglich ist: Daß Italien mit dieser neuen Regierung, wenn sie denn wahr macht, was sie angekündigt hat, den Euro tatsächlich in den Abgrund stößt. Der Artikel beschreibt sehr gut, wie wir Europäer uns in den letzten Jahren wieder haben einlullen lassen, nachdem das Griechenland-Problem scheinbar (!) für uns kein Problem mehr ist (für die Griechen um so mehr!).

Nun also: Euro-Krise – die zweite, die dritte? So, wie ich in meiner Zeit in Rom die beiden Parteien erlebt habe, die nun wohl die neue Regierung stellen werden, kann ich mir gut vorstellen, daß sie die EU in den Wahnsinn, heißt: zum allmählichen Bruch treibt. Daß die Euro-Zone möglicherweise nicht überlebt. Was das für Europa und für Deutschland bedeuten würde, können Sie sich vorstellen.

 

Aber was heißt das für den Nahen Osten?

Wenn die Euro-Zone in die Krise gerät, wenn möglicherweise der Euro den Bach runtergeht und wir wieder zu nationalen Währungen zurückkehren müßten, dann würde das voraussichtlich das starke Deutschland mit einer neuen, überstarken D-Mark wohl ganz gut überstehen, aber die anderen Staaten? Selbst für Frankreich wäre das wohl ziemlich problematisch.

Und dann? Dann wird »EUROPA«, das dann wohl als politische Einheit noch brüchiger wird, der Welt draußen nicht mehr viel anbieten können. Wie wird der Iran reagieren? Wird die EU – neben Russland und China – den Iranern wirtschaftlich noch soviel »anbieten« können, daß sie in dem Atom-Deal verbleiben? Das ist ja jetzt kaum schon vorstellbar, aber mit dem Zusammenbruch des Euro wäre das wohl noch schwieriger.

 

Ohne Euro nix zu melden?

Und im israelisch-palästinensischen Konflikt? Israel vertraut der EU ja bereits jetzt nicht als Verhandlungspartner, stützt sich ausschließlich und mehr denn je auf die USA. Was könnte ein wirtschaftlich kriselndes Europa ohne Euro dann noch machen in Nahost? Vermitteln? Wie?

Die Euro-Krise, die jetzt möglicherweise heraufdämmert, wird nicht nur die Märkte nervös machen und massiv beeinflußen. Sie könnte auch die Europäer möglicherweise endgültig zu Statisten im Nahen Osten machen. Dem Nahen Osten kann das (fast) egal sein – die Realpolitik zeigt sowieso, daß die EU kaum wahrgenommen wird. Aber für Europa wäre das wohl ein Stoß in den Abgrund der Bedeutungslosigkeit.

 

Richard C. Schneider, Tel Aviv

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