Militärmanöver statt Sozialpolitik

Irans Wirtschaft steckt tief in der Krise, die US-Sanktionen werden ihr noch weiter schaden. Das aber hält die Regierung nicht von einer aggressiven Außenpolitik ab. 

Es ist ein brisanter Spagat, den die Regierung in Teheran zurzeit versucht: Außenpolitisch verfolgt das Regime einen kompromisslosen Kurs. Erst Anfang der Woche lehnte die Regierung ein Gesprächsangebot von US-Präsident Donald Trump schroff ab. Stattdessen begann das iranische Militär am Donnerstag eine Übung im Persischen Golf und in der Straße von Hormus, die zeigen soll, dass man diesen wichtigen Seeweg blockieren kann.

Daheim aber steckt das Mullah-Regime in einer tiefen Krise. Das Volk protestiert seit Monaten gegen die Regierung, insbesondere wegen der immer gravierenderen wirtschaftlichen Probleme. Der Rial, die iranische Währung, hat in den vergangenen sechs Monaten 120 Prozent an Wert verloren. In den Städten Isfahan, Kataj, Shiraz, Teheran und Mashhad bleiben Geschäfte in diesen Tagen aus Protest geschlossen, Menschen gehen auf die Straße. Ihre Rufe sind bezeichnend: Neben »Tod den hohen Preisen« und »Tod den Dikatoren« rufen sie:»Nein zu Gaza, nein zum Libanon, mein Leben für Iran!« In den vergangenen Monaten kamen 25 Demonstranten bei gewaltsamen Auseinandersetzungen ums Leben, mehr als 5.000 wurden verhaftet. Doch das schreckt die Bevölkerung nicht mehr ab. Ihre Not ist zu groß geworden.

Tatsächlich sehen die iranischen Bürger schon seit Langem nicht mehr ein, warum die Mullahs Hunderte von Millionen Dollar, die bis zum Abschluss des Nuklearabkommens in 2015 auf ausländischen Konten eingefroren waren und dann freigegeben wurden, nun für die Unterstützung und den Aufbau von Milizen im Jemen, in Syrien, im Libanon und in Gaza verwendet werden. Der Frust der Bürger nimmt zu – sie hatten sich vom Nukleardeal einen wirtschaftlichen Aufschwung und mehr Freiheiten erhofft.

 

Neuer Tiefschlag für die Wirtschaft

Die neuen US-Sanktionen könnten der dahinsiechenden Wirtschaft Irans einen folgenreichen Tiefschlag versetzen. Am kommenden Montag wird eine erste Stufe in Kraft treten. So wird der Iran keine US-Dollar mehr einkaufen können, der internationale Handel mit Irans Goldvorräten, mit Stahl, Kohle und anderen Waren wird ebenfalls sanktioniert. In einer weiteren Eskalationsstufe werden später im Jahr Sanktionen auf die Öl- und Energieexporte Irans verhängt und Transaktionen mit der Zentralbank untersagt. Zum Ende des Jahres könnte die Inflationsrate im Iran laut Fachleuten auf bis zu 50 Prozent steigen.

Schon jetzt sind die Folgen des US-Ausstiegs aus dem Atomabkommenzu spüren. Internationale Firmen ziehen sich sicherheitshalber aus dem Geschäft mit Teheran zurück, da sie fürchten, den amerikanischen Markt zu verlieren. Siemens hat bereits angekündigt, keine neuen Aufträge aus dem Iran mehr anzunehmen. Auch Maersk, die größte Container-Schiffahrtsgesellschaft der Welt, erklärte kürzlich, man werde keine iranischen Häfen mehr anlaufen. Der französische Ölkonzern Total gab bekannt, dass er sich aus dem Milliardendeal mit dem Iran und der chinesischen Firma CNCP zurückziehen werde, falls er von den USA keine Ausnahmegenehmigung erhalte. Total wollte im Iran zusammen mit den Chinesen ein Gasfeld ausbeuten.

 

Korruption und strukturelle Probleme

Wirtschaftsexperten betonen allerdings, dass nicht nur die Sanktionen die wirtschaftliche Lage verschlechtern, sondern auch die Korruption in der iranischen Führung. Zudem hat Irans Wirtschaft strukturelle Probleme: 40 Prozent des Trinkwassers in städtischen Gebieten sind ungenießbar, weil die Pipelines seit Jahren nicht ordentlich gewartet werden. Eine Flasche Wasser ist inzwischen so teuer, dass sie sich ein iranischer Durchschnittsverdiener kaum leisten kann. Diese grundsätzlichen Probleme könnten am Ende zum politischen Chaos führen.

Unbeirrt von der innenpolitischen Lage setzt aber das schiitische Regime in Teheran seine Aktivitäten im Nahen Osten fort, um seine Machtposition gegenüber den sunnitischen Staaten auszubauen und den Kampf gegen den »zionistischen Erzfeind« Israel fortzusetzen. Der Iran stützt insbesondere Präsident Baschar al-Assad in Syrien und schickt Waffen nach Syrien, um den Kampf gegen die Zionisten zu unterstützen. Die schiitische Hisbollah aus dem Libanon wird ebenfalls massiv mit Waffen versorgt – soweit Israel die Lieferungen nicht bombardiert.

 

Militärmanöver in der Straße von Hormus

Zusätzlich drohte bereits Präsident Rouhani im März, man werde die für den Öltransport wichtige Seestraße von Hormus sperren, falls die USA Aggressionen gegenüber dem Iran planten. Am Donnerstag führte das Militär nun genau dort eine Übung durch. Der amerikanische Verteidigungsminister James Mattis hatte zuvor gewarnt, dass dies »ganz klar ein Angriff auf die internationale Schifffahrt« sei. Es würde natürlich eine internationale Reaktion mit sich bringen – was immer nötig sei, um die Seestraße wieder zu öffnen. Schließlich hänge die gesamte Weltwirtschaft von der Energieversorgung aus der Region ab.

Das iranische Regime drohte ebenso, die wichtige Passage Bab al-Mandeb, das »Tor der Tränen«, am Eingang zum Roten Meer zu sperren. Das würde Israels Interessen und seine Seeschifffahrt bedrohen. Auch Jerusalem reagierte umgehend. Premier Benjamin Netanjahu erklärte, Iran würde im Falle einer Blockade die »ganze Macht« des israelischen Militärs zu spüren bekommen.

Wie lange Teheran diesen aggressiven Kurs aufrecht erhalten kann, während die heimische Wirtschaft leidet, ist ungewiss. Viele Beobachter geben der Regierung keine sechs Monate mehr. Und mittendrin steckt die EU, die weiterhin verzweifelt versucht, das Nuklearabkommen mit dem Iran irgendwie doch noch zu retten.

 

Dieser Beitrag erschien erstmals auf ZEIT ONLINE am 3. August 2018

Richard C. Schneider, Tel Aviv

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