Frag den Taxifahrer

Es gehört ja zu den beliebten »Genres« des Journalismus, Gespräche mit Taxifahrern zu zitieren, man schaut da sozusagen dem Volk »auf’s Maul«, wie es früher hieß. Das Genre ist längst untergegangen, zumindest kommt es nur noch selten vor, daß Journalisten Taxifahrer als Beispiel für die Stimme des Volkes anführen, was eigentlich schade ist, denn gerade in Zeiten von Uber wäre das nochmal etwas ganz Besonderes, denn da fahren ja »echte« Privatpersonen und man könnte die doch so gut für die allgemeine Stimmung im Land (in jedem Land) nehmen … Was wird denn eines Tages sein, wenn es nur noch selbstfahrende Autos gibt? Dann ist diese journalistische Form endgültig vorbei. Schade eigentlich …

Ich erinnere mich gut, daß ein bekannter Kollege des WDR im Morgenmagazin Taxi-Nachtfahrten mit Promis machte und im Fond des Autos mit ihnen Gespräche über dies und das führte. Diese Beiträge kamen beim Publikum immer gut an.

 

Israelisches Bäumchen-Wechsle-Dich

Nun, ich fahre in Israel und den palästinensischen Gebieten gerne gelegentlich mit dem Taxi, weil man da doch viel hört, wie so die – emotionale – Lage ist. Und solch ein Gespräch führte ich gestern. Ich war unterwegs mit einem Fahrer, dessen Familie vor vielen Jahren aus Marokko eingewandert war. Und was er zu sagen hatte, war wirklich komisch. Er schlug vor, man möge doch die Hamas und Fatah in Israel herrschen lassen und Bibi und die Seinen in den palästinensischen Gebieten. Dann wäre vielleicht endlich Ruhe hier, meinte er.

Was er sich davon verspräche? Nun, sagte er, die Hamas und Fatah wollen doch unbedingt Israel »bekommen« und Bibi und seine Partner lieben doch das Westjordanland, also Judäa und Samaria, mehr als das Kernland Israel. Da wäre doch so ein Regierungs-Swap eine gute Sache. Jeder bekäme, wovon er träumt, vielleicht klappt’s dann besser mit dem Frieden hier. Wir lachten. Und wie!

Ein kurzes Gespräch mit einem Taxifahrer … ist doch eigentlich schade, daß wir Journalisten dieses Genre so sträflich vernachlässigen, finden Sie nicht?

 

Richard C. Schneider, Tel Aviv

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